Russland wirft dem Westen Erpressung vor und lehnt Uno-Sanktionen weiter ab

Damaskus/Berlin. Der Bürgerkrieg in Syrien hat jetzt auch die Hauptstadt Damaskus erfasst. Regimegegner meldeten gestern aus mehreren Stadtteilen Angriffe der Regierungstruppen und ein militärisches Vorgehen der bewaffneten Opposition. In den Straßen verschiedener Viertel waren der Gefechtslärm schwerer Waffen und Explosionen zu hören. Die Regierungstruppen schlossen die Straße zum Flughafen. Die oppositionelle Muslimbruderschaft wertete die Kämpfe in Damaskus als Zeichen dafür, dass der Sturz des Regimes von Präsident Baschar al-Assad nicht mehr lange auf sich warten lasse. Sie rief die Bewohner von Damaskus auf, Straßen zu blockieren und Brandbomben auf Fahrzeuge der Sicherheitskräfte zu werfen.

Vor der Entscheidung des Uno-Sicherheitsrats über eine Verlängerung der Beobachtermission richtete Russland schwere Vorwürfe gegen den Westen. Mit dem Beharren auf Sanktionen provoziere der Westen einen Bürgerkrieg in dem arabischen Land, sagte Außenminister Sergej Lawrow in Moskau. Den Preis dafür zahle das syrische Volk. Lawrow warf dem Westen Erpressung vor, indem er die Fortsetzung der Uno-Beobachtermission von einem Einlenken Moskaus im Weltsicherheitsrat abhängig mache. Über die Verlängerung der Mission soll in den kommenden Tagen entschieden werden. Am Freitag läuft das Mandat aus. Moskau lehnt Uno-Sanktionen gegen das Regime von Baschar al-Assad bisher strikt ab.

"Wir unterstützen Baschar al-Assad nicht", sagte Lawrow. Vielmehr unterstütze Russland den Friedensplan von Kofi Annan und die Beschlüsse der Genfer Konferenz vom 30. Juni für eine Übergangsregierung in Syrien mit Vertretern aller Konfliktparteien.

Nach Einschätzung des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) hat sich der Bürgerkrieg in Syrien zwar ausgeweitet. "Das heißt aber nicht, dass wir nun sagen, das ganze Land sei inzwischen vom Bürgerkrieg erfasst", sagte IKRK-Sprecher Alexis Heeb. Es werde inzwischen an mehr Orten gekämpft als noch vor einigen Wochen. Völkerrechtlich gilt ein Bürgerkrieg nicht als Krieg im ursprünglichen Sinn, sondern als innere Angelegenheit eines Staates. Artikel 3 der Genfer Konventionen von 1949 und die Zusatzprotokolle von 1977 stellen aber Minimalanforderungen an die Beteiligten - wie etwa das Verbot von Folter.