In Nordkorea gibt es sowohl Anzeichen für einen Machtkampf als auch für einen sanften Wandel

Seoul. Gut ein halbes Jahr nach dem Führungswechsel in Nordkorea hat das Regime des kommunistischen Landes überraschend Armeechef Ri Yong-ho entmachtet. Das Politbüro der herrschenden Arbeiterpartei beschloss bei einem Treffen in Pjöngjang, Ri aus allen seinen Ämtern zu entlassen, berichteten die Staatsmedien. Ri sei krank, hieß es offiziell zur Begründung. Bei seinem letzten öffentlichen Auftritt zu Ehren von Staatsgründer Kim Il-sung vor einer Woche hatte Ri allerdings nicht gesundheitlich angeschlagen gewirkt. Der 69-Jährige war unter anderem Mitglied des Präsidiums des Politbüros und Vizevorsitzender der Zentralen Militärkommission.

Nordkorea-Experten in Südkoreas Hauptstadt Seoul werten den Vorgang als Säuberung in der Parteispitze, mit der Staatschef Kim Jong-un und seine Vertrauten ihren Griff nach der Macht festigen wollten. Ri könne bei dem jungen Machthaber in Ungnade gefallen sein, sagte Choi Jin-wook vom staatlichen Institut für Nationale Vereinigung in Seoul. Ri gehörte nach Einschätzung von Beobachtern einer Gruppe von "Hütern" an. Diese sollen Kim Jong-un nach dem Tod seines Vaters und langjährigen Alleinherrschers Kim Jong-il im Dezember dabei helfen, seine Macht zu festigen. Ri sollte vor allem Kim unterstützen, die Kontrolle über das Militär zu übernehmen. Er hatte Kim regelmäßig bei Inspektionsreisen oder auch bei Paraden begleitet. Das Regime hatte dem knapp 30-jährigen Kim Jong-un kurz nach der Ausrufung zum neuen Machthaber auch den Posten des Oberbefehlshabers über die Volksarmee von seinem Vater übertragen.

Schon seit Tagen gab es Berichte, dass es unter dem neuen Diktator eine sanfte Kursänderung in dem abgeschotteten Land geben könnte. Staatsmedien zeigten Kim in vorderster Reihe eines Konzertpublikums, das den Auftritt von Tänzern in Disney-Kostümen wie Mickey Maus oder Pu der Bär verfolgte. Als Mitglied der Bühnenband traten Frauen in für Nordkoreas Verhältnisse auffallend kurzen Kleidern auf. Kim selbst schmückte sich mit einer mysteriösen jungen Frau an seiner Seite. Kim wolle seinen eigenen Stil durchsetzen, glauben Beobachter. Bei den vom Vater übernommenen Inspektionsreisen durchs Land zeige sich der junge Kim bürgernah. Er sei um ein freundliches Image bemüht, um seine Herrschaft in der Bevölkerung zu festigen.

Die Zeichen eines bescheidenen Aufschwungs sind zu beobachten gewesen - wenn auch auf die Hauptstadt Pjöngjang beschränkt. "Die Menschen treten nicht mehr so verängstigt gegenüber Ausländern auf", sagt ein westlicher Besucher. In der Stadt und auf dem Land seien trotz internationaler Sanktionen gegen das verarmte, aber atomar gerüstete Land Luxusgüter zu sehen, von denen man vor fünf Jahren nur träumen konnte. Vom Angebot profitiert vor allem die mittlere bis höhere Funktionärsschicht. Unter anderem gelangen auch südkoreanische und chinesische Fernsehdramen als DVD oder Video über die Grenze zu China in das abgeschottete Land. Rund eine Million Nordkoreaner besitzen ein Handy. Anrufe ins Ausland sind freilich für den normalen Bürger genauso wenig möglich wie der Internetzugang.

Nordkorea habe sich ein bisschen geöffnet, sagt der Projektleiter der Hanns-Seidel-Stiftung in Seoul, Bernhard Seliger. Das Land nehme mehr an internationalen Aktivitäten teil. Es gebe Berichte, dass Leute zur Schulung im ökonomischen Bereich nach China geschickt werden. "Und all das führt mich dazu, dass Nordkorea möglicherweise auch den Weg der Öffnung geht, die China ihm seit Langem anempfiehlt." Die Frage sei bloß, wie sich das auf die Stabilität auswirke.