Seoul/Pjöngjang. Die Menschen in Nordkorea haben mit einer öffentlich inszenierten Beisetzungsfeier gestern Abschied von dem langjährigen Machthaber Kim Jong-il genommen. Das Staatsfernsehen zeigte eine Trauerprozession durch die Hauptstadt Pjöngjang. Bei starkem Schneefall standen am Straßenrand dicht gedrängt Soldaten mit gesenkten Häuptern und Menschen, die demonstrativ ihre Trauer zeigten. Eine Limousine fuhr ein überdimensionales Bild des vor knapp zwei Wochen verstorbenen Staatschefs durch die verschneiten Straßen. Es folgte der Leichenwagen mit dem Sarg.

Nach zehn Tagen organisierter Massentrauer säumten noch einmal Zehntausende Nordkoreaner die Straßen, um Kim die letzte Ehre zu erweisen. Viele weinten hemmungslos, etliche seien bewusstlos geworden, so die amtliche Nachrichtenagentur KCNA. Eine 86-jährige Frau wurde mit den Worten zitiert, sie sei "ohnmächtig geworden, als ich hier trauerte. Ich vermisse Führer Kim Jong-il sehr."

Bilder im Staatsfernsehen zeigten schluchzende Bürger, die "Vater, Vater" riefen, als der Trauerzug vorbeifuhr. "Wenn ich den weißen Schnee fallen sehe, muss ich an die Errungenschaften des Generals denken, und das treibt mir die Tränen in die Augen", sagte eine Soldatin dem Staatsfernsehen. Zu den Mythen um Kim Jong-il zählte seine angebliche Fähigkeit, das Wetter zu beeinflussen.

Direkt neben dem Leichenwagen lief anfangs Kims jüngster Sohn und auserkorener Nachfolger Kim Jong-un. Damit wurde nach Ansicht von Beobachtern noch einmal demonstriert, dass der noch nicht 30-jährige Sohn als künftiger starker Mann seine Position weiter gefestigt hat. Kim Jong-un galt bislang als politisch wie militärisch unerfahren. Ihn begleiteten sein Onkel Jang Song-thaek, 65, der seit Längerem als graue Eminenz des Regimes gilt, sowie der Chef des Generalstabs der mächtigen Volksarmee, Ri Yong-ho, und ranghohe Militärs. Ausländische Trauergäste waren gestern nicht eingeladen. Allerdings teilte ein Sprecher des Außenministeriums in Peking mit, dass Chinas Botschafter in Pjöngjang an den Feierlichkeiten teilnehmen werde.

Begonnen hatte der Trauerzug im Kumsusan-Mausoleum, wo Kim Jong-il nach seinem Tod in einem Glassarg aufgebahrt worden war. Die staatlich ausgerufene Trauerzeit soll heute mit einer landesweiten Gedenkfeier zu Ende gehen. Es wird erwartet, dass der einbalsamierte Leichnam Kim Jong-ils danach ebenfalls im Mausoleum beigesetzt wird, wo schon sein toter Vater in einem Glassarg ausgestellt ist.

Kim Jong-il war nach offizieller Darstellung am 17. Dezember an den Folgen eines Herzinfarkts gestorben. Er hatte Nordkorea 17 Jahre lang mit eiserner Faust regiert. Unter seiner Herrschaft sind nach Schätzungen Hunderttausende von Nordkoreanern an Hunger gestorben.

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