Fast zwei Jahre war Gao Zhisheng verschwunden. Wurde der berühmte Anwalt unter Hausarrest gehalten? Vor dem Ablauf seiner Bewährungsfrist wurde er ins Gefängnis gesteckt.

Peking. Der seit fast zwei Jahren verschwundene chinesische Bürgerrechtsanwalt Gao Zhisheng kommt die nächsten drei Jahre ins Gefängnis. Überraschend brachte die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua am Freitag Licht in den Verbleib des prominenten Anwalts. Das Erste Mittlere Volksgericht in Peking habe entschieden, dass der 47-Jährige eine im Dezember 2006 verhängte dreijährige Haftstrafe jetzt doch absitzen müsse, schrieb Xinhua. Er habe „mehrmals ernsthaft“ gegen die Bewährungsauflagen verstoßen.

Die Nachricht war das erste Lebenszeichen von dem 47-Jährigen seit April 2010. Wo der Anwalt gewesen ist, wurde nicht gesagt. Gao Zhisheng zählte einst zu den zehn Spitzenanwälten Chinas, entwickelte sich aber zum Kritiker des Systems, nahm politisch heikle Fälle an und kam schließlich selbst vor Gericht. Seine Familie sei nicht von der Entscheidung unterrichtet worden, berichtete sein älterer Bruder Gao Zhiyi telefonisch der Nachrichtenagentur dpa in Peking. „Wir verstehen die Entscheidung nicht.“

+++ Der Anwalt, der selbst zum Opfer wurde +++

Nach Ansicht der Familie sei die fünfjährige Bewährungsfrist im August abgelaufen, so dass Gao Zhisheng nicht in Haft genommen werden dürfe, sagte der Bruder. In der Meldung der Staatsagentur Xinhua hieß es hingegen, Gao Zhisheng sei am 22. Dezember 2006 wegen „Anstiftung zur Untergrabung der Staatsgewalt“ verurteilt worden. Die Bewährungsfrist wäre damit nächste Woche abgelaufen. „Es kann doch nicht sein, dass sie ihn jetzt ins Gefängnis stecken“, äußerte sein Bruder sein Unverständnis.

Die USA und andere Länder hatten sich in den vergangenen Jahren vergeblich für Gao Zhisheng eingesetzt. Seine im Exil in den USA lebende Frau Geng He veröffentlichte im Januar 2010 einen älteren Bericht ihres Mannes, wie er in Polizeigewahrsam zwischen 2005 und 2008 misshandelt und „fast zu Tode gefoltert“ worden sei.

Wegen der ständigen Belästigungen durch die Staatssicherheit war seine Frau Anfang 2009 mit den beiden Kindern aus China über Thailand in die USA geflüchtet, wo sie Asyl erhielten. Daraufhin wurde Gao Zhisheng im Februar 2009 abgeholt. Seither galt er als verschwunden. Er tauchte nur kurz im April 2010 in Peking auf. Ein befreundeter Anwalt traf ihn und berichtete, Gao Zhisheng habe offensichtlich „viel Leid“ durchgemacht. Details wurden nicht bekannt.

Die Behörden hatten die Kanzlei des bekannten Anwalts 2005 geschlossen, nachdem er im Internet ein Ende der Verfolgung der Mitglieder der in China verbotenen Kultbewegung Falun Gong gefordert hatte. Bei seiner Verurteilung 2006 legte ihm das Gericht auch offene Briefe an Präsident Hu Jintao und Ministerpräsident Wen Jiabao zur Last. Der Titel einer seiner Artikel lautete: „Das Regime hat niemals aufgehört, Menschen zu töten.“ Auch nannte Gao Zhisheng Chinas Führer „barbarisch“ und verglich sie mit „Mafia-Bossen“.

Als junger Mann hatte Gai Zhisheng in der Volksbefreiungsarmee gedient. Er studierte in den 90er Jahren Jura und arbeitete als Anwalt in der Nordwestregion Xinjiang, bis er 2000 nach Peking umzog. Er galt schnell als einer der führenden Anwälte Chinas, setzte sich dann auch zunehmend für protestierende Bauern, Dissidenten, Christen, Aids-Aktivisten und andere Bürgerrechtsanwälte ein.

Eine Übersetzung seines Buches „Ein gerechteres China“ erschien 2007 in englischer Übersetzung. Der unerschrockene Anwalt protestierte auch gegen die Olympischen Spiele 2008 in Peking, appellierte in Briefen an den US-Kongress, „sich der laufenden Menschenrechtskatastrophe in China anzunehmen“.