Die Morde an zwei Senegalesen in Florenz und eine Razzia in Rom heizen die Diskussion um die Ausländerpolitik im Land an

Rom. "Neger, jetzt seid ihr dran!", soll Gianluca Casseri geschrien haben, bevor er in Florenz mit einem Revolver das Feuer auf afrikanische Straßenhändler eröffnete. Erst auf dem überfüllten Markt der Piazza Dalmazia im Norden der Stadt, dann noch auf zwei weiteren Märkten. Zwei Senegalesen starben, drei liegen noch schwer verletzt im Krankenhaus. Eingekreist von der Polizei, begeht der Täter schließlich in einer Parkgarage Selbstmord. Doch nicht nur Florenz stand gestern unter Schock. Ganz Italien treibt die Frage um, ob es die Wahnsinnstat eines Einzelnen war oder eine neue Welle der Gewalt zu fürchten ist. Zumal die Polizei in Rom gestern gegen eine Gruppe von Rechtsextremisten vorging. Fünf Mitglieder der Gruppe Militia wurden festgenommen. Gegen 16 werde ermittelt. Der Gruppe werde neben der Bildung einer kriminellen Vereinigung auch Anstiftung zum Rassismus vorgeworfen. So sei in den von den Carabinieri sichergestellten Dokumenten etwa ein Plan für einen "Krieg gegen die Institutionen" gefunden worden, der zahlreiche Gewalttaten vorsehe. Im Visier der Extremisten standen unter anderem die jüdische Gemeinde der Ewigen Stadt und rumänische Mitbürger.

Den 50 Jahre alten Täter von Florenz beschrieb die rechtsextreme Gruppe CasaPound Italia als Sympathisanten. Er sei jedoch kein Aktivist gewesen. Er habe im 30 Kilometer von Florenzentfernten Pistoia einige Male Sitzungen der Gruppe besucht, um sein Buch "Le Chiavi del Chaos" (Die Schlüssel des Chaos) vorzustellen. Da wirkte er eher wie der "Dorfdepp", "lo scemo del villaggio", so die Gruppe. Im Internet erging sich der Täter in Pamphleten - für eine arische Rasse und für eine weißes und christliches Europa, wie italienische Medien berichteten.

"Ich habe Angst vor Fanatismus, der Gewalt und Tod sät", erklärte Matteo Renzi, Bürgermeister von Florenz. Doch: "Es handelt sich nicht um die Aktion einer Gruppe, sondern um die ausländerfeindliche und wahnsinnige Tat eines Einzelnen", sagte Renzi. Eine große senegalesische Gemeinschaft lebe seit Jahren ohne Probleme in der Stadt. Viele Bürger hätten sofort ihrer Solidarität Ausdruck verliehen und würden - wie er selbst auch - am Sonnabend an einem Protestzug der Senegalesen teilnehmen. Renzi hat keine Zweifel: Das traditionell linke Florenz besitzt "ausreichend Antikörper" gegen Rassismus. Andere Beobachter sehen den Fall kritischer. Auch wenn der 50-jährige Casseri vermutlich ein wahnsinniger Einzeltäter war, sei sein Denken dennoch in einem spezifischen Klima gewachsen, warnt etwa der linke Autor Adriano Sofri. Kardinal Gianfranco Ravasi, Präsident des vatikanischen Kulturrats, kritisiert prompt die "Ausländer raus"-Parolen der populistischen Lega Nord.

"Italien hat zwei Gesichter: ein religiöses, vorwiegend christliches und dann das andere", sagt Kardinal Gianfranco Ravasi. Überhaupt äußerte sich die Kirche nach der schrecklichen Tat besorgt über den Fremdenhass in Italien. Der Erzbischof von Florenz, Giuseppe Betori, sagte, er hoffe, dass das "Schreckgespenst des Rassismus" verschwinde. Die Fachstelle der Italienischen Bischofskonferenz für Migrationsfragen, die Stiftung Migrantes, bezeichnete die Tat als "ernst zu nehmendes Anzeichen" für einen wachsenden gewalttätigen Rassismus in der Gesellschaft. Der Vorfall sei ein Signal für die Rückkehr politischer und kultureller Extremismen, sagte der Generalsekretär der Stiftung, Giancarlo Perego.

Rechtspolitiker ärgern sich hingegen über die politische Interpretation. "Den Mörder von Florenz der extremen Rechten zuzuschreiben bedeutet, eine Tat fälschlich politisch zu interpretieren, die nur mit Geistesgestörtheit erklärt werden kann", sagt Adriano Tilgher von der Toskana-Fraktion der Rechtsaußenpartei La Destra.

Italien geriet in den vergangenen Jahren mehrfach wegen der Behandlung von nichteuropäischen Ausländern und Minderheiten in die Kritik. 2010 war es der Uno-Menschenrechtsrat in Genf, der Rom wegen Gewaltakten gegen Einwanderer und Minderheiten wie Roma und Sinti rügte. Ein anderes Mal hagelte es aus Brüssel Ermahnungen wegen der Flüchtlingspolitik der ausländerfeindlichen Lega Nord.

Es sei dieses Klima, das vor allem in Zeiten wirtschaftlicher Härte Ungeheuer erzeugen könne, warnt die Turiner Zeitung "La Stampa". Ähnliche Gewalttaten im Namen eines obskuren "Wir" gegen nicht weiter definierte andere, Schwächere seien zu befürchten.