Pakistanische Terrorgruppe bekennt sich zu Attentaten mit 60 Toten. Wulff und Merkel sind bestürzt

Kabul. Bei zwei Terroranschlägen auf muslimische Schreine in Kabul und Masar-i-Scharif sind gestern mehr als 60 Menschen getötet worden. Selbstmordattentäter sprengten sich inmitten betender Schiiten in die Luft, die am Aschura-Fest in die Moscheen drängten. Bundespräsident Christian Wulff sprach den Familien der Opfer bei einem Treffen mit dem afghanischen Präsidenten Hamid Karsai in Berlin sein tiefes Beileid aus. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) reagierte mit Bestürzung. "Wir müssen weiter hart arbeiten, um die Sicherheit in Afghanistan gewährleisten zu können", sagte Merkel bei einem Gespräch mit Karsai. Die Anschlagserie einen Tag nach der Bonner Afghanistan-Konferenz schürt die Angst vor einer Eskalation religiöser Gewalt.

Der Attentäter in Kabul sprengte sich inmitten einer Menge von Männern, Frauen und Kindern vor dem Abu-Fazl-Schrein nahe dem Präsidentenpalast in die Luft. Dabei starben nach Angaben der Polizei mindestens 58 Menschen. Mehr als 160 Menschen wurden nach Krankenhausangaben verletzt. Bei dem Anschlag in Masar-i-Scharif detonierte an einer Straße eine an einem Fahrrad befestigte Bombe, als eine Gruppe schiitischer Pilger vorbeifuhr, und tötete mindestens vier Menschen. 21 Menschen wurden verletzt. In der Stadt hat auch die Bundeswehr ein Feldlager. Auch in Kandahar, im Süden Afghanistans, explodierte ein Sprengsatz auf einem Parkplatz und verletzte einige Passanten. Es ist unklar, ob auch diese Bombe schiitischen Pilgern galt. Zu den Anschlägen bekannte sich die pakistanische Terrororganisation Lashkar-e-Jhangvi.

Lashkar-e-Jhangvi ist für zahlreiche Attentate auf Schiiten in Pakistan verantwortlich, operierte allerdings bislang nicht in Afghanistan. Gezielte Anschläge auf die Minderheit der Schiiten gab es in Afghanistan bisher nicht. Im Nachbarland Pakistan gehören sie dagegen zum Alltag. In beiden Ländern stellen die sunnitischen Muslime die Mehrheit. Afghanistans Schiiten sind zumeist ethnische Hasara, die unter dem Taliban-Regime verfolgt wurden. Ein Sprecher der radikal-islamischen Taliban verurteilte die Taten aber scharf und machte den Westen dafür verantwortlich. Das Aschura-Fest ist ein offizieller Feiertag in Afghanistan. Die Schiiten gedenken an diesem Tag des Todes von Imam Hussein, einem Enkel des Propheten Mohammed. Gläubige ziehen in Prozessionen zum Gebet. Dabei peitschen sie sich mit Messern, Rasierklingen oder Stacheldraht, um ihrer Trauer über den Tod des Heiligen Ausdruck zu verleihen.

Der CDU-Außenexperte Ruprecht Polenz appellierte an die afghanische Führung, einen neuen Bürgerkrieg nach dem Abzug der Nato-Truppen Ende 2014 zu verhindern. "Ein Afghanistan, das in die Zeit des Bürgerkriegs und der Schreckensherrschaft der Taliban zurückfallen würde, könnte nicht mehr auf weitere Hilfen bauen", sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag der "Passauer Neuen Presse". Merkel und Karsai kündigten in Berlin den Abschluss eines Partnerschaftsabkommens zwischen Deutschland und Afghanistan an, um die langfristigen Beziehungen zwischen beiden Ländern zu regeln. Als mögliche Themen nannte Merkel die Berufsbildung und die Erschließung von Rohstoffen. Afghanistan müsse einen fairen Zugang zu seinen eigenen Ressourcen bekommen, sagte sie.