Israelischer Verteidigungsminister schließt Militärschlag nicht aus. Angeblich plant Teheran Anschläge auf US-Einrichtungen in Deutschland

Brüssel. Die Außenminister der Europäischen Union einigten sich, ein Verbot von Öleinfuhren aus dem Iran vorzubereiten und das Finanzsystem des Landes vom Westen abzuschneiden. "Wir haben beschlossen, an sehr viel härteren Sanktionen als bisher zu arbeiten", sagte Frankreichs Außenminister Alain Juppé. Auslöser für die neuen Maßnahmen waren die Angriffe von iranischen Studenten auf die britische Botschaft in Teheran und die Ausweisung des britischen Botschafters. "Der Rat betrachtet diese Aktionen gegen Großbritannien als Aktionen gegen die ganze EU", heißt es in einer Erklärung der Außenminister.

Die neuen Sanktionen sollen im Januar beschlossen werden. Damit erreicht der Konflikt zwischen den Europäern und dem Iran um die angeblichen Atomwaffen-Pläne Teherans eine neue Dimension. Neben Deutschland hatten sich vor allem Frankreich und Großbritannien dafür starkgemacht. Ölsanktionen waren in der Vergangenheit immer wieder diskutiert worden, die EU konnte sich in dieser Frage aber nicht einigen. Vor allem Griechenland und Italien waren dagegen, beide Länder importieren einen erheblichen Teil ihres Öls aus dem Iran. Jetzt sagte Frankreichs Chefdiplomat Juppé, die EU werde "mit verschiedenen Partnern" so zusammenarbeiten, "dass die Unterbrechung der Lieferungen aus dem Iran durch einen Anstieg der Lieferungen aus anderen Ländern ausgeglichen" werde. "Das ist machbar", betonte Juppé.

Nach Ansicht von Walter Pasch, Iran-Experte bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), werden die geplanten Öl- und Finanzsanktionen "von der Regierung in Teheran so interpretiert werden, dass die EU auf einen Regimewechsel abzielt". Das habe Folgen. Die Bereitschaft der Regierung in Teheran, die Verhandlungen über das iranische Atomprogramm fortzusetzen, könnte sinken. Auf der anderen Seite dürften die neuen Sanktionen die wirtschaftliche Entwicklung des Landes und damit das Überleben des derzeitigen Regimes erheblich erschweren. Der Iran verkauft bislang fast ein Fünftel seines Öls nach Europa, die EU deckt dagegen nur knapp sechs Prozent ihres Bedarfs aus iranischen Quellen. Schon die bisherigen Sanktionen hätten dem Land schweren Schaden zugefügt. "Sie haben maßgeblich zur Unterentwicklung Irans beigetragen", sagt Pasch. Bisher durften 143 Unternehmen und Organisationen keine Geschäfte mehr mit der EU machen, die Zahl wurde jetzt beim Treffen der Außenminister auf 433 erhöht. Betroffen sind vor allem Unternehmen, die Technologie-Produkte herstellen, ausgenommen sind aber die Hersteller landwirtschaftlicher und pharmazeutischer Produkte. Zugleich beschlossen die Außenminister, die Zahl von Iranern mit EU-Einreiseverboten um 37 auf 113 zu erhöhen. Diese Einreiseverbote sind aber vor allem symbolische Gesten.

Israel erklärte unterdessen, man halte sich einen Militärschlag gegen das iranische Atomprogramm offen. Der israelische Verteidigungsminister Ehud Barak sagte, es könne eine Lage eintreten, in der sich sein Land als "letztes Mittel" dazu gezwungen sehen könnte. An den Erfolg internationaler Sanktionen gegen Teheran glaube er nicht, so Barak. "Wir wollen keine unnötigen Kriege. Aber wir könnten definitiv auf die Probe gestellt werden", sagte Barak. Zum jetzigen Zeitpunkt bestehe aber keine Absicht, den Iran anzugreifen.

Auch der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Philipp Mißfelder (CDU), sagte, man dürfe militärische Optionen gegen den Iran nicht ausschließen. Zunächst sollten die Sanktionen aber verschärft werden. Mißfelder weiter: "Aber ich sage ganz deutlich: Wer diplomatische Bemühungen unterstreichen will, der darf militärische Optionen nicht ausschließen." Die größte Bedrohung in Nahost sei der Iran, "weil sie nach der Atombombe streben und übrigens auch nicht davor zurückschrecken würden, sie zu benutzen", betonte der CDU-Politiker. Der Iran zeigt sich bisher von der Debatte im Westen und den angekündigten Sanktionen unbeeindruckt. Die Regierung ließ gestern elf Personen frei, die wegen der Erstürmung und Plünderung der britischen Botschaft festgenommen worden waren. In Brüssel wurde die Freilassung als Indiz gewertet, dass die Plünderer unter dem Schutz einflussreicher Kreise des Regimes standen. Der Zwischenfall hat London zur Ausweisung aller iranischen Diplomaten aus Großbritannien und der Schließung seiner Teheraner Botschaft veranlasst. Auch Berlin, Paris und Den Haag riefen ihre Botschafter zurück.

Die deutschen Sicherheitsbehörden verdächtigen den Iran, für den Fall eines US-Angriffs Anschläge auf amerikanische Militärflugplätze in Deutschland zu planen. Iran-Experte Posch sagte dazu: "Der Iran wird überall aktiv werden, sobald er angegriffen wird." Die Anschlagsziele würden nicht nur in Deutschland, sondern auch in der Türkei und in der Golfregion liegen. "Das hängt letztlich davon ab, von welchen Militärbasen aus die Amerikaner angreifen." Allerdings ist völlig unklar, wie viele Kapazitäten der Iran für derartige Anschläge zur Verfügung hat und wer sie durchführen soll.