Heute beginnen Parlamentswahlen. Demonstrationen halten an

Kairo. Vor der heute beginnenden Parlamentswahl in Ägypten hat der Vorsitzende des regierenden Militärrats, Feldmarschall Hussein Tanatawi, vor "sehr ernsten Konsequenzen" gewarnt, sollte die politische Krise im Land anhalten. "Wir werden nicht erlauben, dass Störenfriede die Wahl stören", sagte Tantawi gestern der amtlichen ägyptischen Nachrichtenagentur Mena. Er rief die Bevölkerung des Landes auf, zur Wahl zu gehen. "Ägypten ist am Scheideweg - entweder wir kommen wirtschaftlich, politisch und gesellschaftlich voran oder die Konsequenzen werden sehr ernst sein. Und das werden wir nicht zulassen", sagte Tantawi.

Zugleich hat Tantawi den Verzicht auf eine im Grundgesetz festgeschriebene Sonderstellung des Militärs versprochen. Die geplanten Verfassungsleitlinien hatten die Proteste angeheizt, weil sie unter anderem die Macht des Militärs absichern sollten. Die Armee genoss schon unter dem Präsidenten Husni Mubarak zahlreiche Privilegien. Sie ist ein Staat im Staate, mit eigener Gerichtsbarkeit und auch mit eigenen Unternehmen.

Gestern versammelten sich abermals Tausende Demonstranten zu einer Massenkundgebung gegen den Militärrat in Kairo. Vertreter von 24 Jugendorganisationen, die die Proteste organisiert hatten, kündigten an, erst den Tahrir-Platz zu verlassen, wenn die Macht der Generäle an eine Regierung der "nationalen Rettung" unter Führung des Friedensnobelpreisträgers und Präsidentschaftsanwärters Mohammed al-Baradei übergeben worden sei.

Al-Baradei hatte sich am Wochenende als Ministerpräsident einer Übergangsregierung angeboten, um das Land aus der derzeitigen politischen Krise zu führen. Seit dem 19. November wurden mehr als 40 Menschen bei den Ausschreitungen im Land getötet. Erst am Sonnabend kam ein Mann ums Leben, der gemeinsam mit anderen Demonstranten über Nacht vor dem Eingang des Regierungsgebäudes campiert hatte, um dem zuvor neu ernannten Ministerpräsidenten Kamal al-Gansuri den Eintritt zu verwehren.

Die Kundgebung gestern unter dem Motto "Legitimität der Revolution" kam einen Tag vor Beginn der Parlamentswahl, deren Dauer wegen einer zeitlichen Staffelung in den Provinzen mit drei Monaten veranschlagt wurde.

Die einflussreichste politische Gruppierung Ägyptens, die Muslimbruderschaft, hat sich nicht an den Protesten beteiligt und die Wähler stattdessen ebenfalls zum Gang an die Urnen aufgerufen. Es wurde erwartet, dass die Islamisten wie auch in Tunesien und Marokko bei der Wahl eine Mehrheit im Parlament erringen würden. Die Hauptaufgabe des Parlaments wird es sein, ein 100-Personen-Komitee zu bestimmen, das die neue Verfassung des Landes ausarbeiten soll.