Zugeständnisse an Demonstranten. Weiter Gewalt in Kairo

Kairo. Nach tagelangen Protesten in Ägypten haben die herrschenden Generäle unter dem Druck der Demonstranten erstmals Zugeständnisse angekündigt. Der Militärrat stimmte gestern zu, die Präsidentenwahl bis Ende Juni 2012 und damit früher als bislang geplant abzuhalten. Feldmarschall Mohammed Hussein Tantawi erklärte zudem in einer TV-Ansprache, die Armee werde umgehend die Macht abgeben, sollten sich die Ägypter in einer Volksabstimmung dafür entscheiden.

Die Demonstranten setzten ihre Massenproteste auf dem Tahrir-Platz in Kairo gegen die Streitkräfte, mit deren Hilfe in diesem Jahr Präsident Husni Mubarak gestürzt wurde, gleichwohl fort. Bei den Protesten kamen seit dem Wochenende mindestens 36 Menschen ums Leben. Offiziellen Angaben zufolge wurden mehr als 1250 Menschen verletzt.

Feldmarschall Tantawi kündigte an, die Präsidentenwahl werde bis Mitte 2012 durchgeführt. Das höchste Amt im Staat soll dann an einen Zivilisten gehen. Bislang war von einem Termin Ende 2012 oder gar Anfang 2013 die Rede gewesen. Zudem nahm der Militärrat das Rücktrittsgesuch der Übergangsregierung unter Ministerpräsident Essam Scharaf an. Das Kabinett hatte tags zuvor wegen der schweren Krawalle seinen Rücktritt angeboten.

Oppositionelle Politiker sprachen nach einer gemeinsamen Krisensitzung mit dem Militärrat davon, dass nun eine Regierung zur "nationalen Rettung" gebildet werden solle. Es war zunächst aber unklar, wer dieser Regierung angehören soll.

Tantawi bestätigte zudem, dass die Parlamentswahlen wie geplant in der kommenden Woche beginnen sollen. An dem Termin waren in den vergangenen Tagen Zweifel aufgekommen, nachdem sich Demonstranten vor allem in Kairo Straßenschlachten mit Sicherheitskräften geliefert hatten.

Auch gestern kam es zu schweren Zusammenstößen. Tausende Menschen versammelten sich erneut auf dem Tahrir-Platz. Viele sangen Lieder und schwenkten Fahnen. In den Straßen zwischen dem Platz und dem Polizeihauptquartier gab es Ausschreitungen. Schwarz gekleidete Sicherheitskräfte, unterstützt durch Truppen des Militärs, feuerten Salven von Tränengas und Gummigeschossen auf Gruppen wütender junger Männer, die mit Steinen und Brandsätzen reagierten.

Demonstranten hängten eine Puppe an einem Lampenmast auf, die Feldmarschall Tantawi darstellen sollte. Auf seine Zugeständnisse reagierten Demonstranten am Abend mit Sprechchören wie "Hört auf! Hört auf!". Zeugen zufolge demonstrierten auch Tausende Menschen in der Hafenstadt Alexandria.

Die Streitkräfte sind in Ägypten eigentlich angesehen - auch weil sie Mubarak mit aus dem Amt zwangen. Immer mehr Ägypter sind aber mit dem Militärrat unzufrieden, weil die Streitkräfte versuchen, sich einer zivilen Kontrolle zu entziehen. Zudem wurden Tausende Zivilisten vor Militärgerichte gestellt. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International warf den Machthabern vor, teilweise mit noch schlimmerer Brutalität vorzugehen als unter Mubarak. Versprechen, die Menschenrechtslage zu verbessern, hätten sich als leer erwiesen.

Die Unsicherheit lähmt auch die Wirtschaft. So kommt es in Ägypten häufig zu Zusammenstößen zwischen ethnischen Gruppen, Streiks oder Anschlägen auf Gasleitungen. Die Touristen bleiben vielerorts aus. Wegen der Unruhen gab der Kairoer Leitindex seit Ende vergangener Woche um elf Prozent nach. Das ägyptische Pfund fiel im Vergleich zum Dollar auf den niedrigsten Stand seit Januar 2005.

Die USA, die Ägypten 1,3 Milliarden Dollar Militärhilfe pro Jahr zahlen, riefen alle Seiten zur Zurückhaltung auf. "Die Gewalt ist bedauerlich", sagte Regierungssprecher Jay Carney in Washington.