Griechischer Regierungschef warnt: Finanzkrise wird Kern der Euro-Zone erreichen

Athen. Griechenlands eben neu gebildete "Regierung der Nationalen Einheit" unter Ministerpräsident Lucas Papademos hat gestern ihre erste Bewährungsprobe bestanden und eine Vertrauensabstimmung im Parlament mit deutlicher Mehrheit gewonnen. Der frühere Vizepräsident der Europäischen Zentralbank wurde wie erwartet von den Abgeordneten der Sozialisten, der konservativen Neuen Demokratie und einer kleinen rechtsgerichteten Partei unterstützt.

Papademos war am vergangenen Donnerstag von Staatspräsident Karolos Papoulias mit der Bildung einer Übergangsregierung beauftragt worden. Sie soll das hoch verschuldete Euro-Land vor dem drohenden Staatsbankrott bewahren, das jüngste mit der EU ausgehandelte "Rettungspaket" umsetzen, den Haushalt für 2012 verabschieden und dann Neuwahlen ansetzen. Bei der Vorstellung seines Regierungsprogramms im Parlament hatte der 64-Jährige klargemacht, dass Griechenland am Scheideweg stehe. Damit das Land in der Euro-Zone bleibe, werde Athen alle Verpflichtungen erfüllen, versprach er. Unter anderem sieht sein Sparprogramm den Abbau von Personal im öffentlichen Dienst vor.

Trotz der Sparanstrengung ist Papademos der Ansicht, dass die Finanzkrise vom Süden Europas auf den Kern der Euro-Zone übergreifen wird. Grund dafür sei, dass die Feuerkraft der Rettungsprogramme nicht stark genug gewesen ist, sagte Papademos gestern im griechischen Parlament. "Ich bin mir aber sicher, dass die Euro-Zone die Schwierigkeiten überwinden wird", sagte Papademos. Die Regierungen und die Völker Europas würden die nötigen Maßnahmen dazu treffen.

Bei der Debatte im Parlament über das neue Regierungsprogramm äußerten fast alle Redner Zustimmung. Dennoch ist die Auszahlung einer weiteren, dringend benötigten Finanzspritze in Höhe von acht Milliarden Euro keineswegs sicher. Ohne dieses Geld kann die Regierung Löhne und Renten nur noch bis Mitte Dezember zahlen. Am kommenden Montag will Papademos deshalb nach Brüssel reisen und sich mit dem Präsidenten des Europäischen Rates, Herman Van Rompuy, und Kommissionspräsident José Manuel Barroso beraten.

Derweil verhandelten Papademos und Finanzminister Evangelos Venizelos bereits mit internationalen Banken über die technische Umsetzung eines am 26. Oktober mit der EU vereinbarten Schuldenschnitts. Private Gläubiger sollen dabei auf die Hälfte ihrer Forderungen gegenüber dem griechischen Staat verzichten. Zugleich stürzten neue Hiobsnachrichten auf das Land herein: Die durch die Sparpolitik verursachte Rezession wird sich bis Jahresende noch vertiefen, die Wirtschaft dürfte nach Angaben der Regierung nicht, wie zuletzt erwartet, um 5,5 Prozent, sondern um sechs Prozent schrumpfen. Das Haushaltsdefizit dürfte daher auch nicht, wie zuletzt geschätzt, bei 8,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegen, sondern eher bei 9,2 Prozent, weil auch die Steuereinnahmen erneut drastisch hinter den Erwartungen zurückbleiben. Statt zwölf Milliarden Euro wird der Staat in den letzten beiden Monaten des Jahres wohl nur zehn Milliarden einnehmen.

Da die bisher von der EU geforderten Sparmaßnahmen für das nächste Jahr auf der Annahme beruhen, dass das griechische Haushaltsdefizit in diesem Jahr 8,9 Prozent betragen wird, kann das bedeuten, dass Brüssel neue, noch schärfere Maßnahmen fordern wird. Der Chef der konservativen Neuen Demokratie, Antonis Samaras, hatte in den letzten Tagen jedoch mehrfach wiederholt, "weitere Sparmaßnahmen" über das bereits Vereinbarte hinaus kämen nicht infrage. Auch Ministerpräsident Papademos erklärte, Griechenland könne weitere Lohnkürzungen oder Steuererhöhungen nicht mehr verkraften.

Noch gravierender könnte eine andere Weigerung von Samaras sein: Er lehnt eine neue Forderung der EU vehement ab, die Parteiführer der Koalitionsregierung sollten mit ihren Unterschriften dafür bürgen, dass das jüngste "Rettungspaket" vom 26. Oktober auch die nächste gewählte Regierung des Landes binden wird, egal wer die Wahlen gewinnt. Nur nach erfolgter Unterschrift will die EU die nächste Acht-Milliarden-Tranche auszahlen. Das nannte Samaras "verfassungswidrig" und einen Verstoß gegen EU-Recht.

Dass Samaras sich sperrt, ist nachvollziehbar: wenn heute gewählt würde, würde seine ND gewinnen. Sie wirbt nicht mit Sparrunden, sondern mit Entlastungen für den Mittelstand.