Bürgermeister Bloomberg lässt Geburtsstätte der Occupy-Bewegung räumen. Die Demonstranten wollen jetzt die Börse lahmlegen

Hamburg/New York. Es war 1.19 Uhr, als das Büro des New Yorker Bürgermeisters über Twitter die Nachricht sendete: "Die Besetzer des Zuccotti Parks sollen vorübergehend ihre Zelte abbauen und den Park räumen. Die Demonstranten können zurückkehren, sobald der Park gereinigt ist." Wenig später umstellten Hunderte von Polizisten den privaten Park unweit der Wall Street. Mit Scheinwerfern leuchteten sie in den Park, in dem die Kapitalismuskritiker vor zwei Monaten ihre Zelte aufgeschlagen hatten, verteilten Flugblätter mit der Nachricht von Bürgermeister Michael R. Bloomberg. Wer sich widersetze, werde festgenommen.

Völlig verwirrt seien die Parkbesetzer aus ihren Zelten gekrochen, berichtete die "New York Times". Einige von ihnen protestierten mit Trillerpfeifen gegen den Einsatz, andere mahnten zur Ruhe, wieder andere riefen laut aus: "Jetzt passiert es". Und da stürmten die Polizisten auch schon das Lager, forderten die Aktivisten über Megafon auf, das Gelände zu verlassen. Mitarbeiter der Stadtreinigung begannen, Zelte und andere Habseligkeiten der Demonstranten in Metalltonnen zu entsorgen.

Einige Aktivisten versammelten sich zunächst in der Mitte des Parks und verschanzten sich hinter provisorischen Barrikaden. Sie ketteten sich teils mit schweren Fahrradschlössern aneinander, um die Räumung zu verhindern. Manche trugen Atemschutzmasken, weil sie den Einsatz von Tränengas fürchteten. Die Fernsehteams, die mit ihren Übertragungswagen seit Wochen am Park stehen, wurden von der Polizei abgedrängt.

Gegen drei Uhr in der Früh drangen die Beamten dann auch zu den letzten Demonstranten in der Mitte des Camps vor. Insgesamt gab es nach Angaben des Bürgermeisterbüros annährend 200 Festnahmen.

Am Morgen ließ Bürgermeister Bloomberg eine Erklärung veröffentlichen. Er habe zwischen dem Recht auf freie Meinungsäußerung und der öffentlichen Sicherheit und wachsender Gesundheitsgefahr abwägen müssen, begründete er die Räumung.

Dieses Argument hatten Behörden auch schon in anderen amerikanischen Städten angeführt. In Oakland war vergangene Woche ein Mann am Rande eines Protestcamps offenbar nach einer Auseinandersetzung erschossen worden. Zuvor hatte es bei Handgreiflichkeiten mehrere Verletzte gegeben. Am Montag war das Camp geräumt worden. Einen Tag zuvor hatte die Polizei in Portland im Bundesstaat Oregon bei der Räumung des Zeltcamps rund 50 Menschen in Gewahrsam genommen. Die Begründung: Die Kriminalität rund um das Camp habe stark zugenommen.

New Yorks Bürgermeister kündigte jedoch an, dass die Aktivisten nach den Reinigungsarbeiten in den Park zurückkehren dürften, allerdings ohne Zelte und Schlafsäcke. Doch schon am Nachmittag erlaubte ein Gericht in New York den Demonstranten die Rückkehr samt ihrer Zelte, wie die nationale Anwaltsvereinigung mitteilte. Bloomberg sagte, er wisse von der gerichtlichen Anordnung, habe sie aber noch nicht gesehen. Die Stadt werde umgehend Rechtsmittel einlegen.

Über soziale Netzwerke wie Facebook begannen die Demonstranten gleich wieder, sich zu organisieren, und versammelten sich andernorts. Für Donnerstag hatten sie bereits ihre bislang größte Protestaktion angekündigt. Ein Straßenkarneval mit rund 100 000 Teilnehmern soll dann die New Yorker Börse lahmlegen. Die Aktion fiele mit dem zweimonatigen Jubiläum des Protestes zusammen.

Der Zuccotti Park gilt als Geburtsstätte der Protestbewegung, der 17. September als Geburtsstunde. Damals hatte eine Handvoll Demonstranten in dem Park ihre Zelte aufgestellt und Schlafsäcke ausgerollt, doch in den folgenden Wochen kamen immer mehr Aktivisten dazu. Sie hatten in den vergangenen Wochen eine regelrechte Mini-Stadt auf dem Gelände errichtet mit Küche, Versammlungsort und sogar Bibliothek.

Vor allem hatte die Bewegung "Occupy Wall Street" ("Besetzt die Wall Street") eine weltweite Protestwelle ausgelöst. Überall entstanden ähnliche Zeltdörfer, darunter auch in Frankfurt vor der Europäischen Zentralbank, im Berliner Regierungsviertel und in Hamburg vor der HSH Nordbank am Gerhart-Hauptmann-Platz.

In Berlin kündigten die Anhänger der Occupy-Bewegung gestern an, auch nach der endgültigen Auflösung des Bundespressestrands Ende November nicht vom Spreeufer zu weichen. "Es wäre das falsche Signal, wenn wir uns jetzt einen neuen Platz suchen", sagte einer der Aktivisten, Daniel Mützel. Am vergangenen Mittwoch hatten die Aktivisten mit Duldung der Pächterin auf dem Gelände des Bundespressestrands Zelte aufgestellt. Allerdings muss die Pächterin das Grundstück selbst bis Ende November räumen, weil der Bund dort Bürogebäude für das Bildungsministerium bauen will.

Auch in der Züricher Altstadt räumten die Behörden nach einmonatiger Duldung ein Zeltlager der Kapitalismusgegner. Nach Polizeiangaben wurden dabei 30 der rund 50 Besetzer abgeführt. Es sei aber zu keinen Zwischenfällen gekommen.