Die Griechen sind der Ränkespiele von Papandreou und Opposition überdrüssig

Athen/Hamburg. Die griechische Tragödie geht weiter, und eine Katharsis, eine Auflösung und Reinigung sind nicht in Sicht. Selbst nach dem überraschenden Sieg von Ministerpräsident Giorgos Papandreou in der Vertrauensabstimmung am Freitag kurz vor Mitternacht, gibt die politische Landschaft wenig Grund zur Hoffnung. Und dass ein Ausscheiden des Landes aus der Euro-Zone weiterhin eine Option ist, machte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) beim G20-Gipfel im französischen Cannes unmissverständlich deutlich.

Innenpolitisch könnte die oppositionelle Nea Dimokratia (ND) wieder zu neuer Blüte kommen, also die Partei, die Griechenland in die Pleite trieb und bei der Euro-Bewerbung gefälschte Bilanzen in Brüssel einreichte.

Die beiden großen Parteien des Landes hatten bereits am Freitag ihre Pläne für die Zeit nach einem möglichen Rücktritt diskutiert. Mitglieder des Kabinetts forderten Papandreou zu Gesprächen über die rasche Bildung einer Übergangsregierung auf. Die konservative Opposition beharrte hingegen auf sofortigen Neuwahlen.

"Es ist unvorstellbar, dass die Regierung die Abstimmung gewinnt und dann so tut, als wäre nichts gewesen", schrieb Bildungsminister Andreas Loverdos auf seiner Internetseite. Sollten nicht unmittelbare Schritte hin zu einer Regierung der nationalen Einheit eingeleitet werden, so sehe er für sich keinen Platz im weiteren politischen Prozess, egal wer die Regierung führe.

Das Volk ist derweil in eine Schockstarre verfallen. Massendemonstrationen oder Streiks gab es nicht. Doch die Proteste können jederzeit wieder aufflammen: Viele Griechen sind es leid, dass die regierenden Sozialisten und die konservative Opposition trotz der Lage des Landes ihren Machtkampf austragen. Entsprechend scharf fielen die Kommentare auf der Straße aus. Die Athener Rentnerin Eva Papadopoulou fordert ein Ende des Streits zwischen Ministerpräsident Giorgos Papandreou und seinem konservativen Kontrahenten Antonis Samaras: "Die sollen allesamt zum Teufel gehen!", rief Papadopoulou. Die Rentnerin glaubt, dass die Streithähne - beides Söhne reicher griechischer Familien - "das Land in den Ruin führen". Angesichts der Wirtschaftskrise mit Hunderttausenden Arbeitslosen und einer überbordenden Schuldenlast würden die beiden Politiker dann "einfach ins Ausland abhauen", argwöhnt Papadopoulou.

Das andauernde Feilschen um die Macht trotz dramatischer Schuldenkrise sorgt auch in der griechischen Presse für deutliche Kommentare. "Akrobatik und das Land am Rande des Abgrunds", schrieb die Zeitung "Ta Nea". Auf den Glauben setzt angesichts der verfahrenen Lage ein Kommentator im Fernsehsender Skai: "Hoffentlich erleuchtet sie Gott", sagte er mit Blick auf die beiden Hauptdarsteller der neugriechischen Finanztragödie, Papandreou und Samaras. Den beiden sollte eine Einigung nicht schwerfallen, waren sie doch früher Mitschüler im Amherst College (Massachusetts) in den USA, lautet der Tenor. Zumal das Ziel kaum wichtiger sein könnte: das Land vor dem Bankrott retten und zusammen den Staat auf den Weg der Reformen bringen.

Die Zeit läuft den Kontrahenten und damit auch dem Land davon. Nur bis Mitte Dezember hat Griechenland noch Geld, um Löhne und Renten auszuzahlen. Das Volk zeigt sich gespalten zwischen dem Wunsch, den Euro als Währung zu behalten, und der Ablehnung für das drakonische Sparprogramm, das damit verbunden ist: Umfragen zeigen, dass 65 Prozent der Befragten zwar gegen das Sparprogramm, aber 76 Prozent für den Verbleib des Landes in der Euro-Zone sind.

Dass die Griechen nun gar nicht mehr über Sparprogramm oder Euro-Verbleib abstimmen sollen, scheint die Gemüter in Athen dagegen relativ wenig zu beschäftigen. Ein Gemüsehändler im Stadtteil Moschato bringt es am Freitag auf den Punkt: "Welcher Grieche - außer den Kommunisten, die mittlerweile vom Zusammenbruch des Kapitalismus in Griechenland sprechen - würde dagegenstimmen?"

Doch Griechenlands Premier gab sich gelassen. Zwar war er am Donnerstag auf Druck der G20-Teilnehmer eingeknickt und hatte das Referendum abgesagt, doch die Forderungen des Oppositionschefs Antonis Samaras ließ er an sich abprallen. Er selbst klebe zwar nicht an irgendeinem Stuhl, doch könne das Land nicht auf Anhieb ohne Regierung bleiben, sagte er. Papandreous Fahrplan lautete: Ein Ja bei der Vertrauensabstimmung - und sofort werden Verhandlungen mit Samaras zur Bildung einer Übergangsregierung aufgenommen. Eine Übergangsregierung soll das Land ohnehin aus der Krise führen, das neue Hilfsprogramm und die nötigen Gesetze in die Wege leiten.

Sollten viele Abgeordnete von Sozialisten und Konservativen der geplanten Übergangsregierung die Gefolgschaft verweigern, wäre die Lage in Griechenland erst recht unübersichtlich. Dann müsste der Staatspräsident Karolos Papoulias eingreifen. Er kann eine neue Koalitionsregierung anberaumen - oder Neuwahlen.