Übergangsrat hatte vergeblich um Verlängerung des Nato-Militäreinsatzes gebeten. Nun werden Machtkämpfe befürchtet

Hamburg. Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen spricht bereits von einer der erfolgreichsten Missionen in der Geschichte der Atlantischen Allianz. Gemeint ist der Einsatz des westlichen Bündnisses in Libyen.

Gestern ging diese Mission nach sieben Monaten zu Ende; Rasmussen reiste nach Libyen, um mit Mitgliedern des Nationalen Übergangsrats über die Zukunft des Landes zu sprechen. "Unsere militärische Arbeit ist jetzt erledigt", sagte der Generalsekretär.

Insgesamt 26 000 Starts und Landungen haben die beteiligten Flugzeuge der Nato in diesen sieben Monaten absolviert, darunter waren 9600 Angriffsflüge. Der Rest waren Tank- und Versorgungsflüge. Knapp 6000 militärische Ziele sollen zerstört worden sein.

Bereits am Freitag hatte der Nato-Rat bestätigt, dass man die Mission nach dem Tod des libyschen Diktators Muammar al-Gaddafi, der am 20. September erschossen worden war, nun beenden werde. Vergeblich hatte der Übergangsrat die Allianz gebeten, noch weiter in Libyen zu bleiben, da das Land noch nicht endgültig befriedet sei.

Am 17. März hatte der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in der Resolution 1973 eine Flugverbotszone für die Luftwaffe Gaddafis über Libyen sowie ein Waffenembargo verhängt und "alle nötigen Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung" erlaubt.

Am 31. März übernahm die Nato das Kommando über die Mission "Unified Protector" (Geeinter Beschützer), an der schließlich zwölf der 28 Nato-Staaten - Belgien, Dänemark, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Italien, Kanada, Niederlande, Norwegen, Spanien, die Türkei und die USA - sowie Jordanien, Katar, Schweden und die Vereinigten Arabischen Emirate teilnahmen. Deutschland hatte sich bei der Verabschiedung der Resolution 1973 im Sicherheitsrat enthalten und nahm auch nicht an der militärischen Operation teil.

Dem Nato-Einsatz vorangegangen waren Drohungen des Gaddafi-Regimes in Tripolis, Massaker an den Aufständischen in Bengasi zu begehen. Die Arabellion gegen die Langzeitherrscher im arabischen Raum war von Tunesien über Ägypten auch auf Libyen übergesprungen. Der politisch irrlichternde Despot Gaddafi fürchtete um seine Macht und setzte seine Armee in Marsch. Gegen die vorrückenden Gaddafi-Truppen setzten vor allem Frankreich, Großbritannien und die USA Kampfflugzeuge und Drohnen ein. Zudem kontrollierten bis zu 21 Kriegsschiffe der Nato die Küste Libyens. Mehr als 3100 Schiffe wurden auf Waffenlieferungen überprüft.

Ohne den Einsatz der Nato, die Truppenansammlungen und Panzereinheiten des Regimes ebenso zerschlug wie Kommandozentralen und Kommunikationseinrichtungen, wäre die anfangs schwache und desorganisierte Rebellenarmee rasch ausgelöscht worden. Selbst mit der Hilfe der Nato hatten die Rebellen lange Zeit erhebliche Mühe, die Gaddafi-Truppen, die teilweise von den Söhnen des Diktators befehligt wurden, in erbitterten Kämpfen niederzuringen.

Manche Experten meinen, dass die Nato mit der direkten Beteiligung am libyschen Bürgerkrieg ihr Uno-Mandat weit überzogen habe. Die Nato argumentiert, dass ihr Einsatz "relativ wenige Zivilisten" das Leben gekostet habe. Genaue Zahlen sind nicht bekannt, aber es wird geschätzt, dass dem Bürgerkrieg insgesamt bis zu 50 000 Menschen zum Opfer gefallen sind. Inzwischen gibt es Berichte, nach denen die Streitkräfte der Rebellen blutige Rache an Gaddafi-Getreuen und der zerschlagenen Armee nehmen. Am Hotel Mahari, das zuletzt in den Händen von Aufständischen aus Misrata gewesen war, wurden mehr als 50 Leichen gefunden, die meisten gefesselt, mit Kopf- oder Brustschüssen. Die Organisation Human Rights Watch vermutet ein Massaker der Rebellen an Gaddafi-Getreuen.

In Libyen ringen nun Kräfte des alten Regimes, Demokraten, Islamisten und die Führer der bis zu 140 libyschen Stämme um die Macht.

"Der wirkliche Krieg hat noch gar nicht begonnen", sagte der Universitätsprofessor Saruk Abdullah in Gaddafis Heimatstadt Sirte einem dapd-Reporter. "Der Krieg fängt am 1. November an, wenn die Nato weg ist. Die Menschen werden Rache nehmen." Große Teile der Stadt Sirte sind durch die harten Kämpfe zerstört worden. Viele der 140 000 Einwohner sind wütend über die Verwüstungen, die Nato und Rebellen beim Sturm auf Gaddafis letzte Hochburg angerichtet hätten.