Bekanntgabe des Endergebnisses der Wahl verzögerte sich weiter

Hamburg. In Tunesien feiert sich die gemäßigt-islamistische Ennahda-Partei als klarer Sieger der Wahl vom Sonntag; die Ergebnisse lassen darauf schließen, dass die Islamisten um ihren Parteigründer Rachid al-Ghannouchi bis zu 45 Prozent der abgegebenen Stimmen erzielt haben dürften. Obwohl das Endergebnis gestern noch auf sich warten ließ, gratulierte die Bundesregierung in Berlin der Partei zum Wahlsieg. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte: "Mit diesen Wahlen hat Tunesien ein neuen Kapitel seiner Geschichte aufgeschlagen."

Ennahdas Wahlkampfmanager Abdel Hamid Dschelassi sagte, seine Partei führe Gespräche mit möglichen Koalitionspartnern zur Bildung einer Übergangsregierung. "Wir werden keine Partei, keine unabhängige Persönlichkeit oder soziale Bewegung ausschließen." Ziel sei die Bildung einer "Regierung der nationalen Einheit". Nach Dschelassis Angaben spricht die Ennahda zunächst mit der sozialistischen Ettakol-Partei und dem linksnationalistischen Kongress für die Republik.

Tunesien wird damit zum Modellfall, zum politischen Laborversuch für die arabische Welt. Der nordafrikanische Staat mit seinen gut zehn Millionen Einwohnern gab vor einem Dreivierteljahr den Startschuss für die "Arabellion", vertrieb seinen Autokraten Zine al-Abidine Ben Ali und organisierte Wahlen zu einer verfassunggebenden Versammlung, die nach Ansicht internationaler Wahlbeobachter weitgehend geordnet und fair abliefen.

Die 217 Abgeordneten dieser Versammlung sollen eine neue Verfassung ausarbeiten und einen Staatspräsidenten wählen, der dann den Chef einer Übergangsregierung ernennen soll.

Doch das politische Ergebnis der gesellschaftlichen Revolte in Tunesien liefert zunächst gleich zwei Paradoxien. Zum einen ist die tunesische Jugend, die die Initialzündung für die Revolution gegeben und sie auch druckvoll vorangetrieben hatte, an der Neuordnung des Landes nun kaum beteiligt.

Zum anderen aber war die Revolte eine äußerst weltliche: Es ging den Menschen vorwiegend um bessere Lebensbedingungen und Chancen, um weniger Korruption und mehr politische Freiheiten. Die Islamisten wurden von der Wucht dieser Bewegung völlig überrascht und sprangen erst spät auf.

Und doch ist die gemäßigt-islamistische Ennahda-Partei nun die große Siegerin der Wahlen. Die für gestern Morgen erwartete Bekanntgabe des genauen Endergebnisses verzögerte sich allerdings. Die Wahlkommission in Tunis machte das aufwendige Auszählverfahren dafür verantwortlich.