Übergangsrat erklärt Libyen offiziell für befreit. Spekulationen um BND-Erkenntnisse

Tripolis/Berlin. Der langjährige libysche Machthaber Muammar al-Gaddafi ist nun doch obduziert worden: Nach Angaben eines Gerichtsmediziners wurde er durch einen Kopfschuss getötet. Widersprüchliche Angaben des Militärs warfen international Fragen auf, ob der 69-Jährige bei einem Feuergefecht starb oder exekutiert wurde.

Auch drei Tage nach seinem Tod war Gaddafis Leichnam noch nicht beigesetzt. Am Freitag lag der blutbefleckte Leichnam mit Schusswunden in Kopf, Brust und Bauch noch im Kühlraum eines Einkaufszentrums in Misrata. In langen Schlangen standen Einwohner der schwer umkämpften Stadt an, um einen letzten Blick auf den verhassten Herrscher zu werfen. Über den Verbleib des Sohnes Saif al-Islam gibt es widersprüchliche Berichte, anscheinend war er noch auf freiem Fuß.

Der Freude am Tag der offiziellen Befreiungserklärung tat dies keinen Abbruch. Denn am Sonntag begann in Libyen eine neue Ära: Die neue libysche Führung hat das Land bei einer Feier in Bengasi für befreit erklärt. Zehntausende versammelten sich in Bengasi, wo der Aufstand gegen Gaddafi vor acht Monaten begonnen hatte. "Hiermit erklären wir der ganzen Welt, dass wir unser geliebtes Land mit seinen Städten, Dörfern, Hügeln, Bergen, Wüsten und dem Himmel befreit haben", sagte ein Vertreter des Nationalen Übergangsrates. Binnen eines Monats sollen eine neue Übergangsregierung gebildet und innerhalb von acht Monaten erste Wahlen zu einer verfassunggebenden Versammlung abgehalten werden.

Am Sonnabend sprach sich der derzeit amtierende Ministerpräsident Mahmud Dschibril dafür aus, dass die Übergangsregierung bis zu den ersten Präsidentenwahlen im Amt bleiben sollte. Er selbst hatte ursprünglich angekündigt, sich nach der Befreiungserklärung aus der Regierung zurückzuziehen. Er sagte außerdem, der Übergangsrat müsse die Kämpfer zügig entwaffnen. Außerdem sagte Dschibril, er hätte Gaddafi lieber vor Gericht gesehen.

Unterdessen hat der Bundesnachrichtendienst (BND) einen Bericht dementiert, er habe den Aufenthaltsort Gaddafis genau gekannt und geholfen, ihn aufzuspüren. Der BND habe nicht gewusst, dass sich Gaddafi in Sirte aufgehalten habe, sagte BND-Sprecher Dieter Arndt der Nachrichtenagentur dpa. "Die Geschichte ist eine freie Erfindung." Der "Spiegel" berichtet, dem BND sei das Versteck des untergetauchten Machthabers seit Wochen bekannt gewesen. Gaddafi sei offenbar mit deutscher Hilfe aufgespürt worden. Aus Sicherheitskreisen hieß es, es seien keine Geo-Daten mitgeteilt worden, die zu einem gezielten Angriff auf Gaddafi hätten führen können, schreibt das Nachrichtenmagazin weiter. Den Nato-Partnern dürfte trotzdem bekannt gewesen sein, wo sich Gaddafi aufhielt.