Schuld daran sind auch hohe Lebensmittelpreise. Experten suchen in Rom nach Lösungen

Rom/Hamburg. Stellen Sie sich vor, der Laib Brot beim Bäcker kostet 30 Euro. Sie nehmen eine Packung Butter aus dem Kühlregal, und auf dem Preisschild steht: 16 Euro. Für einen Beutel Kartoffeln zücken Sie an der Kasse einen Fünfzig-Euro-Schein. Irrsinnige Vision? Nein. Realität für viele Menschen im südlichen Afrika und Südasien. Wegen stark schwankender Preise müssen sie inzwischen rund 70 Prozent ihres Einkommens für Essen ausgeben. Wer das auf deutsche Durchschnittseinkommen umrechnet, kommt auf die horrenden Preise. Doch die Deutschen geben gerade einmal zwölf Prozent ihres Einkommens für Nahrung aus.

Auch die vergangenen Monate haben es bewiesen: Das Hungerproblem bleibt ungelöst. Realität sind auch die Bilder aus Somalia. Kinder, deren Gesichter durchzogen sind von Falten wie bei einem 55-Jährigen, weil unter ihrer Haut kein Fleisch mehr sitzt, das die Falten strafft.

In mindestens 26 Ländern ist die Lage laut Welthungerhilfe "sehr ernst". Im Bericht der Uno-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO) hungern heute rund um den Globus etwa 925 Millionen Menschen. Dabei hatten sich die Vereinten Nationen ein ehrgeiziges Ziel gesetzt, sie gaben diesem Projekt den ambitionierten Titel "Millenniumsziele". Bis 2015 soll die Zahl der Hungernden halbiert werden. Doch dass diese Mission Erfolg hat, ist unwahrscheinlich. Die Welt steckt in einer Nahrungsmittelkrise - schuld daran sind vor allem die steigenden Preise für Nahrung, aber auch die Finanzkrise.

Doch noch will die Weltgemeinschaft dieses Ziel nicht aufgeben. "Energisches Handeln" sei notwendig, forderten die Leiter von FAO, dem Weltfonds für Agrarentwicklung Ifad und dem Welternährungsprogramm WFP, Jacques Diouf, Kanayo F. Nwanze und Josette Sheeran, bei der Vorstellung des Uno-Welthungerberichts 2011 von der Staatengemeinschaft. Unter dem Motto "Nahrungsmittelpreise - Von der Krise zur Stabilität" starten die Vereinten Nationen heute in die Welternährungswoche und begehen zugleich den Welternährungstag 2011.

Sechs Tage lang hat der Welternährungsausschuss (CFS) in Rom über Wege aus der Nahrungsmittelkrise beraten. Die Tagung hat Tradition. Doch ob sie tatsächlich zu konkreten Ergebnissen führen wird, scheint mehr denn je in den Sternen zu stehen.

Die globale Wirtschaftskrise setzt die potenziellen Geberländer der internationalen Gemeinschaft unter Druck, die in Sorge um den eigenen Staatshaushalt Geld einsparen. "Mit immer größeren Paketen etwa zur Rettung der Banken steigt die staatliche Verschuldung und damit der Druck, dies Geld an einer anderen Stelle im Haushalt einzusparen", erklärt Oxfam-Expertin Marita Wiggerthale. Nicht selten bei der Entwicklungshilfe.

Tatsächlich hinken die reichen Länder ihren Versprechungen hinterher. Das Millenniumsziel, bis 2015 mindestens 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in Entwicklungshilfe zu investieren, erreichen die Staaten der wohlhabenden "ersten Welt" bis heute in der Regel nicht. Der Mittelwert liegt laut letzten Daten der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) bei circa 0,3 Prozent. Die Bundesrepublik kommt auf 0,38 Prozent.

Dabei sind Investitionen dringend notwendig - vor allem für Kleinbauern in Entwicklungsländern. Ralf Südhoff, Leiter des Berliner Büros des Welternährungsprogramms der Uno, fordert ein radikales Umdenken in der Entwicklungshilfe. "Viel zu lange hat man die Unterstützung der Bauern auf dem Land vernachlässigt", sagte Südhoff dem Hamburger Abendblatt. Während zu Beginn der 1980er-Jahre noch etwa 20 Prozent des Geldes aus dem Norden für die Verbesserung der Landwirtschaft ausgegeben wurde, waren es 2008 gerade noch vier Prozent. Kleinbauern bräuchten dringend Kleinkredite für Saatgut und Geräte, aber auch Beratung für das Bestellen trockener Böden und einen fairen Zugang zum Markt. Dann, so Südhoff, steckt hinter den hohen Preisen für Lebensmittel auch eine Chance: Der Bauer könnte seine Ernte profitabel verkaufen.