Taipehs Vertreter: Bedrohung durch Peking ist groß. Chinas Kaiserhaus stürzte vor 100 Jahren

Hamburg. Wenn es gerecht zugehen würde in der Welt, dann trüge Wei Wu-lien den offiziellen Titel eines Botschafters der Republik Taiwan. Es zählt zu den Zynismen der internationalen Politik, dass das demokratische, marktwirtschaftliche und prowestliche Taiwan seit 40 Jahren aus der Uno ausgeschlossen ist und nur von gut 20 der 193 Staaten überhaupt anerkannt wird - während die kommunistische Despotie China sogar Veto-Mitglied im Sicherheitsrat ist. Nicht einmal Deutschland hat diplomatische Beziehungen zu seinem drittgrößten Handelspartner in Asien. Und so firmiert der promovierte Jurist Wei lediglich als "Vertreter" seines Landes in Berlin.

Der jahrzehntealte Konflikt zwischen den beiden Chinas ist nach wie vor ungelöst. "Bis 1971 waren wir Vollmitglied der Vereinten Nationen, aber bedauerlicherweise besteht Peking auf seiner 'Ein-China-Politik', weshalb wir die Uno verlassen mussten", sagte Wei bei einem Besuch des Hamburger Abendblatts. Der Diplomat glaubt nicht, dass diese Blockade in absehbarer Zeit aufgehoben werden wird.

"Doch die Versöhnungspolitik, die unser Staatspräsident Ma Ying-jeou seit drei Jahren vorantreibt, wird langfristig erfolgreich sein. Die Bundesregierung hat mit einer Politik unter dem Motto 'Wandel durch Annäherung' auch erst langfristig Erfolg gehabt. Bei uns liegen die Probleme sicher noch anders, trotzdem haben wir von Ihnen gelernt. Zwischen Taipeh und Peking gibt es jetzt alle halbe Jahre Verhandlungen, die zum Abschluss von Abkommen vor allem auf den Gebieten von Handel, Wirtschaft und Verkehr führen."

Heute jährt sich zum 100. Mal der Beginn des Wuchang-Aufstands, der 1911 die 2000-jährige Herrschaft der chinesischen Kaiser beendete. Der Staatsmann und Revolutionsführer Sun Yat-sen wurde zum provisorischen Präsidenten einer Republik China. Er wird sowohl von Peking wie auch von Taipeh als Gründer des modernen China anerkannt. Sein ehemaliger Militärkommandeur Chiang Kai-shek verlor schließlich den chinesischen Bürgerkrieg gegen den Kommunisten Mao Tse-tung und zog sich 1949 mit zwei Millionen Getreuen nach Taiwan zurück. Peking betrachtet die Inselrepublik unverändert als abtrünnige Provinz. Und China rüstet aktuell stark auf. Wie real ist die militärische Bedrohung für Taiwan aus der Sicht Weis? "Die Bedrohung ist groß. Es gibt immer wieder gefährliche Manöver. Peking hat an der Küste etwa 1500 Mittelstreckenraketen stationiert, die auf taiwanisches Gebiet gerichtet sind. Die militärische Bedrohung ist immer da, auch wenn die Lage nicht mehr so kritisch ist wie 1995 und 1996, als Pekinger Raketen auf unser Seegebiet abgeschossen wurden."

Und Taipehs Mann in Berlin betont: "Peking behauptet immer, die Rüstung sei gegen niemanden gerichtet. Aber solche politischen Behauptungen sollte man nicht wörtlich nehmen."

Dabei ist Taiwan wirtschaftlich stark in der Volksrepublik engagiert; taiwanische Firmen haben, wie Wei berichtet, insgesamt für 150 Milliarden US-Dollar in der Volksrepublik investiert, inoffiziell wird sogar mit der doppelten Summe gerechnet.

"Beide Seiten haben die gleiche Geschichte, Kultur, Tradition, Sprache und Denkweise", sagt der Diplomat. "Deshalb hoffen wir, dass sich Peking eines Tages demokratisch wandeln wird. Unsere Erfahrungen können auf andere Länder ausstrahlen."

Hamburg ist für Taiwan übrigens wichtigster Handelshafen in Europa. "Es gibt enge Beziehungen zwischen Kaohsiung, unserer größten Hafenstadt, und der Hansestadt. Wir haben 2010 Waren für 8,6 Millionen Euro nach Deutschland transportiert, größtenteils über Hamburg. Von den etwa 200 taiwanischen Firmen in Deutschland sitzen mehr als 50 in Hamburg."