US-Präsident warb einst für Zwei-Staaten-Lösung in Nahost, jetzt will er sie verhindern

Washington. New York City ist nicht nur im Uno-Hauptquartier in Manhattan ein Mikrokosmos globaler Probleme. Mitunter wird ein so unspektakulärer Ort wie der 9. Wahlbezirk, der das südliche Brooklyn mit Teilen von Queens verbindet, zum Vorzimmer der Nahost-Politik einer Weltmacht.

Das war vergangene Woche so, als der Republikaner Robert Turner in den US-Kongress gewählt wurde, um den nach einem Skandal zurückgetretenen Demokraten Anthony Weiner zu ersetzen. Seit 1923 hatte der Distrikt, dessen Bevölkerung zu 40 Prozent jüdisch ist, stets demokratische Abgeordnete nach Washington geschickt. Dass nun mit dem Katholiken Turner ein Republikaner gegen den orthodox-jüdischen Demokraten Mark Weprin gewann, führten Leitartikler auf die Außenpolitik von Barack Obama zurück. Der Präsident habe seit seinem Amtsantritt eine zu wenig Israel-freundliche Politik betrieben und damit eine einst sicher geglaubte Klientel der Demokraten in die Arme der politischen Gegner getrieben.

Obama wollte gestern nach New York zur Uno-Generalversammlung reisen, in deren Zentrum die Frage der formellen Aufnahme eines Palästinenserstaates in die Vereinten Nationen stehen wird. Die USA haben ihr Veto gegen einen solchen Antrag angekündigt, weil eine Friedenslösung zwischen Palästinensern und Israel "nicht über New York führt" (Außenministerin Hillary Clinton), sondern in Verhandlungen gefunden werden müsse. Morgen will Obama vor den Delegationen der 193 Uno-Mitgliedstaaten sprechen.

Seit Sonntag konferiert Clinton in New York mit der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton und dem Nahost-Quartett, das von den USA, der EU, Russland und den Vereinten Nationen gebildet wird. Sie wollen die Konfrontation vermeiden und Palästinenserpräsident Mahmud Abbas dazu bringen, sich mit einer moderateren Aufwertung des bisherigen Beobachterstatus seiner Delegation zu begnügen. Anstelle einer Vollmitgliedschaft könnte das auf einen "beobachtenden Nichtmitglieds-Status" hinauslaufen. Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) äußerte gestern vor dem Abflug nach New York die Hoffnung, dass "das Nahost-Quartett in dieser kritischen Lage einen kraftvollen Impuls zu Wiederbelebung der Verhandlungen geben" könne.

Eine Reanimation der Verhandlungen hatte Obama unmittelbar nach seinem Amtsantritt im Januar 2009 zur Chefsache gemacht. Keinem außenpolitischen Thema widmete der Präsident so viel Aufmerksamkeit wie dem Nahost-Konflikt. Das begann mit der Kairoer Rede im Juni 2009, mit der Obama einen Neuanfang im Verhältnis der USA zur muslimischen Welt markieren wollte. Die in dieser Rede lediglich angesprochene Forderung nach einem vollständigen Stopp des israelischen Siedlungsbaus im Westjordanland und in Ost-Jerusalem rückte danach jedoch ins Zentrum der Nahost-Initiativen Obamas. Die neue Schwerpunktsetzung führte nach Meinung seiner Kritiker in eine Sackgasse - und letztlich zum Verlust des 9. Wahlbezirks in New York. Frühere US-Regierungen hatten ebenso wie die gegenwärtige Administration eine Zwei-Staaten-Lösung, israelisch-palästinensische Verhandlungen auf der Grundlage der Grenzen von 1967 und ein Ende der Siedlungsaktivitäten gefordert. Aber kein Präsident zuvor hatte den letzten Punkt derart betont. Damit provozierte Obama eine aggressive Abwehrhaltung in der Regierung des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu. Gleichzeitig schürte der US-Präsident unrealistische Erwartungen bei den Palästinensern, die jetzt nicht mehr hinter diese Maximalposition der USA zurückfallen können.

Es ist die Geschichte vom Zauberlehrling, die dieser Tage am East River zu beobachten ist. Der Generalversammlung im September 2010 sagte Obama: "Wenn wir nächstes Jahr wiederkommen, können wir eine Vereinbarung haben, die zu einem neuen Mitglied der Vereinten Nationen führen wird: ein unabhängiger, souveräner Staat Palästina, der in Frieden mit Israel lebt." Diese Passage wird derzeit von den PR-Agenten der Palästinenser in Radiospots gespielt. Dann schaltet sich die Stimme von Abbas ein: Wenn Obama das gesagt habe, "muss er das gemeint haben".

Die USA bleiben der wichtigste Garant der israelischen Existenz. Darum hätte Obama im Vorfeld mehr Druck machen müssen gegen die palästinensische Initiative, kritisieren die Republikaner. John Bolton, unter Präsident George W. Bush Botschafter der USA bei den Vereinten Nationen, sagte dieser Tage: "Der Eindruck, den diese Form von Untätigkeit diplomatisch hinterlässt, ist der, dass diese Administration nicht wirklich abgeneigt ist gegenüber dem, was die Palästinenser zu unternehmen versuchen."