Ankara. Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hat den israelischen Militäreinsatz gegen eine Gaza-Hilfsflotte, bei dem im vergangenen Jahr neun türkische Aktivisten ums Leben kamen, als "Kriegsgrund" bezeichnet. Das sagte er gestern vor seiner Abreise nach Ägypten. Doch die Türkei habe sich in Geduld und Zurückhaltung geübt und damit ihre Größe bewiesen. Mit den Äußerungen verschärft Erdogan den Ton gegen Israel vor der noch in diesem Monat in der Uno-Vollversammlung geplanten Abstimmung über einen unabhängigen palästinensischen Staat.

In einem Anfang des Monats veröffentlichten Uno-Bericht war die Seeblockade Israels zwar als rechtmäßig bewertet worden. Die israelischen Streitkräfte hätten aber unverhältnismäßige Gewalt angewandt. Angesichts der Weigerung Israels, sich bei der Türkei zu entschuldigen, waren die Beziehungen zwischen den beiden Ländern deutlich abgekühlt. Die Regierung in Ankara legte diesen Monat ihre militärische Zusammenarbeit mit Israel auf Eis und sagte der palästinensischen Initiative bei der Uno-Vollversammlung ihre Unterstützung zu. Erdogans Visite in Kairo kommt vor dem Hintergrund gesteigerte Bedeutung zu. Nach dem Arabischen Frühling will er den Einfluss der Türkei in der Region stärken.

Israel ist zunehmend isoliert auf der politischen Weltbühne, da sich neben der Türkei auch Ägypten als Verbündeter zurückzieht. Nach dem Sturz des langjährigen Machthabers Husni Mubarak im Februar wird dessen israelfreundlicher Kurs nicht weiterverfolgt. Die Beziehungen zwischen beiden Ländern erreichten im vergangenen Monat einen Tiefpunkt, als fünf ägyptische Polizisten bei einem Feuergefecht zwischen israelischen Streitkräften und militanten Palästinensern getötet wurden. Am Wochenende hatte eine wütende Menge die israelische Botschaft in Kairo gestürmt.