Benedikt XVI. reist morgen mit einer klaren Mission zum Weltjugendtag nach Madrid: Die wichtigste Bastion des Katholizismus in Europa muss gerettet werden

Madrid. Mitten im brütend heißen August duftet es in der spanischen Hauptstadt wie in der Karwoche, aus den Kirchen strömt Weihrauchgeruch. Im Inneren bereiten Bruderschaften aus Granada, Málaga und Sevilla ihre Prozessionen vor und errichten einen Kreuzweg auf dem Prachtboulevard Recoletos gegenüber dem Prado-Museum. Morgen wird Papst Benedikt XVI. zu einer viertägigen Visite anlässlich des zwölften Weltjugendtags (WJT 2011) in Madrid erwartet. Die Hauptstadt rüstet sich für den Ansturm von bis zu 1,5 Millionen Pilgern aus Spanien und aller Welt. "Ich hoffe, dass wir viele Früchte für das christliche Leben ernten werden", sagte das Kirchenoberhaupt in seiner Sommerresidenz Castel Gandolfo vor seiner Abreise.

Die Erwartungen des Papstes sind hoch, die Iberische Halbinsel genießt Priorität auf seiner Agenda: Erst vor neun Monaten war Benedikt XVI. in Santiago de Compostela und in Barcelona. Es geht um nichts Geringeres als die Rettung der wichtigsten Bastion des Katholizismus in Europa. Die Kirche hat ganz besonders in Spanien in den vergangenen Jahren an Einfluss verloren. Nur noch 72 Prozent der Spanier bekennen sich zum Katholizismus, vor zehn Jahren waren es noch 82 Prozent, in den Gottesdienst schaffen es noch zwölf Prozent aller Gläubigen, bei den Jugendlichen fällt die Bilanz noch viel schlechter aus. "Es kommen fast nur noch ältere Leute und ein paar Kinder", klagt eine Frau vor der Kirche San José im Madrider Stadtzentrum. Doch nicht nur die Gotteshäuser bleiben leer, auch Priesterseminare leiden unter eklatanten Nachwuchsschwierigkeiten. Für Spaniens Bischöfe und den Vatikan steht der Schuldige fest: die sozialistische Regierung von José Luis Rodríguez Zapatero. Und auch der Papst hat nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass ihm einige Gesetze der Zapatero-Regierung wie die Blitzscheidung, die Einführung der Homoehe oder das Abtreibungsgesetz gründlich missfallen. "Der Laizismus Spaniens knüpft an den Antiklerikalismus der zweiten Republik an", klagte Benedikt XVI. bereits auf seiner vorherigen Spanien-Visite. Unterstützt wird er vom streitbaren Madrider Erzbischof Antonio Maria Rouco Varela, der die Vorlage der Reden des Papstes in Madrid lieferte. Einmal mehr, so Beobachter, dürfte die Amtskirche harte Kritik an Zapatero üben.

Dabei hat die Regierung sich immer bemüht, die Zwistigkeiten nicht ausufern zu lassen, hat zuletzt sogar das umstrittene Euthanasiegesetz auf die lange Bank geschoben, um die Bischöfe nicht noch weiter zu provozieren. Unvergessen ist auch, wie die frühere Vizeministerin Maria Teresa Fernandez de la Vega persönlich nach Rom reiste, um nach der Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe für Entspannung zu sorgen, und einen praktizierenden Katholiken als spanischen Botschafter am Heiligen Stuhl ernannte. Hinzu kommen großzügige Zuwendungen des spanischen Staates, der der Kirche und den konfessionellen Schulen jährlich rund sechs Milliarden Euro zukommen lässt. Doch die Spendierfreudigkeit der Regierung konnte die aufgebrachten Gemüter zu keinem Zeitpunkt beruhigen. "Die Säkularisierung verdanken wir der Familienpolitik Zapateros, die die Doktrin der Kirche unterhöhlt hat", sagt Jesús de la Hera, Chefredakteur der katholischen Zeitung "Ecclesia", und spricht damit vielen überzeugten Katholiken des Landes aus der Seele. Seit 2009 werden mehr Ehen vor dem Standesamt geschlossen als in der Kirche, jedes dritte spanische Baby wird nicht mehr getauft.

Viele Spanier blicken der Papstvisite mit gemischten Gefühlen entgegen. So fällt sie zeitlich mit den seit Monaten anhaltenden Jugendprotesten in Madrid zusammen. Mit ihren Demonstrationen und Zeltlagern in der Innenstadt und ihren wochenlangen Happenings unter freiem Himmel machen die sogenannten "Empörten" immer wieder auf ihre prekäre Lage auf dem Arbeitsmarkt und die fehlenden Perspektiven ihrer Generation aufmerksam. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt in Spanien bei 45 Prozent. Rechtzeitig vor der anstehenden Visite von Benedikt XVI. waren sie Anfang August nach dreimonatigen Dauerprotesten erstmals von ihrem symbolischen Platz, der Puerta del Sol, vertrieben worden, mit Polizeigewalt.

Für die "Indignados" ist die Kirche keine Anlaufstation, im Gegenteil. Heute Abend ist eine Kundgebung gegen die Papstvisite geplant. "Wir brauchen handfeste Lösungen und keinen Papst in Soutane", so ein Sprecher der Bewegung. Die Empörten prangern die hohen Kosten des Weltjugendtages (50 Millionen Euro) an und kritisieren, dass er auch mit Steuergeldern finanziert wird. Dem halten die Organisatoren entgegen, dass die Wirtschaft etwa 100 Millionen Euro verdienen wird.

Kritik kam diesmal auch von ungewohnter Seite. So monierte etwa das "Forum der Pfarrer von Madrid", dass einflussreiche Sponsoren aus Spaniens Finanz- und Unternehmenswelt in den Großevent miteinbezogen wurden. "Man kann nicht Gott und dem Mammon gleichzeitig dienen", ließ das Pfarrergremium verlauten, dem 120 Geistliche angehören. Und nicht zuletzt meldete sich der Verband für historisches Gedenken zu Wort und forderte den Papst auf, 75 Jahre nach Beginn des Bürgerkriegs den Franquismus mit einer symbolischen Geste zu verdammen und um Vergebung zu bitten. Schließlich sei die Kirche eine der wichtigsten Stützen des franquistischen Regimes gewesen. "Wir warten bis heute auf eine Stellungnahme des Papstes. Er könnte einen wichtigen Beitrag dazu leisten, dass sich die Wunden aus der Vergangenheit endlich schließen können", so Emilio Silva, Sprecher des Verbands.

Nur auf einer Front gab es am Ende Entspannung: Die Gewerkschaften bliesen in letzter Sekunde einen Streik für Busse und U-Bahn ab. Sie störten sich daran, dass die Pilger verbilligt durch Madrid fahren, während der Preis für das Einzelticket für den Durchschnittsbürger wegen der Krise gerade um 50 Prozent erhöht wurde.