Geheimdienst ISI soll Chinas Militär Zugang zu US-Tarnkappentechnologie gewährt haben

Hamburg. Die Beziehungen zwischen den USA und Pakistan - offiziell Verbündeter der Amerikaner im Kampf gegen den Terrorismus - sind, zurückhaltend ausgedrückt, kompliziert. Seit Jahren operieren amerikanische Spezialeinheiten auf pakistanischem Territorium und jagen Al-Qaida-Aktivisten; US-Kampfdrohnen der Typen "Predator" und "Reaper" schalten mit ihren Raketen Taliban-Führer aus, wobei immer wieder auch Zivilisten sterben. Vor allem aber die ohne Wissen Pakistans erfolgte Tötung Osama Bin Ladens durch US Navy SEALs in der pakistanischen Garnisonsstadt Abbottabad in der Nacht zum 2. Mai weckte enorme Wut in Islamabad. Zunächst wurde eine Gruppe von Bürgern, die im Verdacht steht, den USA Informationen über Bin Ladens Aufenthaltsort geliefert zu haben, verhaftet und eingesperrt.

Doch offenbar rächte sich die pakistanische Regierung nun auch direkt an den USA. Wie die "New York Times" und die "Financial Times" unter Berufung auf US-Geheimdienstkreise berichteten, lud der mächtige pakistanische Geheimdienst ISI, der einen Staat im Staate bildet, offenbar chinesische Militärexperten dazu ein, das bei dem US-Einsatz abgestürzte Hubschrauberwrack zu inspizieren.

Die Maschine vom Typ Sikorsky MH-60 "Blackhawk" war bei der Landung in Bin Ladens festungsartigem Anwesen von einem heißen Scherwind erfasst worden und mit dem Heck gegen eine Mauer geprallt. Nach der Tötung Bin Ladens hatten die Navy SEALs noch versucht, die Maschine in aller Eile zu sprengen, was aber nur unzureichend gelang. Nach Angaben von Experten war dieser Hubschrauber eine Sonderanfertigung für geheime Spezialeinsätze. Das Heck ähnelte dem des Tarnkappenhubschraubers Boeing-Sikorsky RAH-66 "Comanche", dessen Bau 2004 aus Kostengründen eingestellt worden war. Haupt- und Heckrotor waren geräuschgedämpft, Anstrich und abgerundete Bauteile sollen eine Erfassung durch Radar erschweren.

Offenbar geht aus abgehörter Kommunikation hervor, dass die Pakistaner die Chinesen zur Inspektion einluden. US-Geheimdienstler sind sicher, dass die Chinesen alles fotografierten und auch einige Teile mitnahmen. Dies wäre ein spektakulärer Bruch des ohnehin labilen Bündnisses zwischen den USA und Pakistan.

China, das seine Aufrüstung rasant vorantreibt, steht seit langem im Verdacht, mit massiver Spionage zu arbeiten. Eine Einladung zur Inspektion streng geheimer US-Tarnkappentechnologie wäre wie ein Lottotreffer für Peking. Die Tarnkappentechnologie für Kampfjets und Hubschrauber wurde von der US-Rüstungsindustrie vor allem als Gegenmaßnahme zur hochmodernen Luftabwehrtechnik Chinas und Russlands entwickelt.

Vehement dementierten pakistanische Offizielle; Chinas Außenministerium erklärte lahm, so etwas würde nie passieren. Peking will sich nicht weiter als Spionage-Nation am Pranger sehen, und Pakistan ist von der erheblichen amerikanischen Finanzhilfe abhängig, die seit dem 11. September 2001 rund 20 Milliarden Dollar ausmacht. Islamabad hatte schon den Verdacht Washingtons, Bin Laden habe nur mit Billigung Pakistans jahrelang in Abbottabad leben können, nicht entkräften können. Das Verhältnis zwischen den USA, deren Ansehen in Pakistan auf dem absoluten Tiefpunkt ist, und der islamischen Atommacht ist angespannt.

Nach der Tötung Bin Ladens entsandte Islamabad eine hochrangige Delegation nach Peking. Es war ein unmissverständliches Signal an die USA, dass Pakistan in Sachen Verbündete durchaus Alternativen hat.