Kriminelle fürchten um ihre illegalen Einnahmen aus Schmuggel

Pristina/Belgrad. Erhard Bühler hat in seinem Jahr an der Spitze der internationalen Schutztruppe Kfor ein Thema gebetsmühlenartig vorgetragen: Die Mafia steuert im Norden Kosovos alles und jeden und zettelt nach Belieben gewaltsame Konflikte an. Dabei arbeiteten Albaner und Serben prächtig zusammen, hat der General herausgefunden: Diese "kriminellen Strukturen haben das wirkliche Sagen". Nach Darstellung des Kommandeurs handelt es sich um extremistische, gewaltbereite Kräfte, die bewaffnet sind. Sie seien auch für die zahlreichen Straßenblockaden der wichtigsten Transitrouten verantwortlich. Auch das Niederbrennen des Grenzübergangs Jarinje vor einer Woche war danach das Werk dieser gut organisierten Kriminellen.

Die Aufklärung der Kfor-Truppe hat herausgefunden, wer sich unter die serbischen Demonstranten gemischt hatte. Mit dabei seien Angehörige rechtsradikaler Organisationen wie der "Serbischen Nationalbewegung 1389" und der "Vaterländischen Bewegung Obraz (Ehrgefühl)", extremistische und äußerst gewaltbereite Fußballrowdys sowie Mitarbeiter verschiedener Geheimdienste. Viele in dieser hochbrisanten Mischung seien bewaffnet.

Etwa 55 000 Serben und 10 000 Albaner leben in Nordkosovo. Eine nicht näher bekannte Zahl von ihnen gehört den kriminellen Netzwerken an. Die leben in dem fast gesetzfreien Raum prächtig vom Schmuggel, verdienen das große Geld und haben kein Interesse an einer Änderung der Situation. Die schätzungsweise paar Tausend Mafiosi halten mit ihrer Gewaltstrategie die Welt auf Trab: Von der EU bis zum Uno-Sicherheitsrat. Geschmuggelt wird vor allem Treibstoff, der hier deutlich billiger ist als in Serbien oder im Rest des Kosovos, aber auch Baumaterial, Medikamente, Drogen und Waffen. Die Autos fahren ohne Nummernschilder, eine öffentliche Verwaltung gibt es nur in Ansätzen, Rechnungen für Wasser oder Strom bleiben unbezahlt.

Weder die Kosovo-Regierung in Pristina noch Belgrad haben hier ausschließlichen Einfluss. Diese Grauzone erlaubt jede Machenschaft. Schätzungsweise nur 20 Prozent aller aus Serbien eingeführten Waren werden verzollt, obwohl die große Menge davon weiter in den Süden Kosovos transportiert wird. Die Einheimischen witzeln über "den größten Duty-free-Shop Europas". Dieser Mafiasumpf hätte längst trockengelegt werden müssen, beklagt General Bühler immer wieder. Dafür wäre die hochgerüstete EU-Rechtsstaatsmission (Eulex) mit ihrer Spezialpolizei, ihren Juristen und Verwaltungsexperten bestens geeignet. Doch seit Jahren ist von dieser mit jährlich 100 Millionen Euro teuersten EU-Auslandsmission fast nichts zu bemerken.