Harte Wochen gingen Obamas 50. Geburtstag voraus. Und dennoch: Die Aussichten des US-Präsidenten sind gar nicht so schlecht.

Heute wird er 50, und First Lady Michelle, sagt Barack Obama, findet ihn immer noch schnuckelig. Immerhin eine. Die Wähler hingegen zeigten dem Präsidenten der Vereinigten Staaten vor seinem Geburtstag die kalte Schulter. Ein neues Rekordtief machte Gallup in der letzten Juli-Woche aus. Nur 42 Prozent bewerteten Obamas Amtsführung positiv. Drei Tage lang waren es laut dem renommierten Meinungsforschungsinstitut sogar nur 40 Prozent. Damit stürzte der Präsident auf den niedrigsten Wert seit seinem Einzug ins Weiße Haus im Januar 2009. Mitte Juni war immerhin noch jeder zweite Amerikaner mit ihm zufrieden gewesen.

Unversöhnlicher noch als die Wähler zeigten sich die Medien. "Obama kapituliert", überschrieb der den Demokraten eigentlich zugeneigte Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman am Montag seine Kolumne in der "New York Times" über die "politische Katastrophe", die der Präsident am Vorabend verkündet habe. Der Kompromiss mit dem Kongress nach monatelangem Streit über die Erhöhung des Schuldenlimits und Etateinsparungen löste einen "Aufschrei von links aus", berichteten die Korrespondenten der Zeitung flankierend.

Auch die Nachrichtenagentur Reuters befand, der Präsident habe durch seine Nachgiebigkeit gegenüber den Republikanern seine linken Anhänger verärgert. Emanuel Cleaver, demokratischer Abgeordnete aus Missouri, beschimpfte das Ergebnis, das massive Ausgabenkürzungen, aber keinerlei Steuermehreinnahmen vorsieht, als "Sandwich des Teufels mit Zuckerguss".

Happy Birthday, Mr President.

Obama selbst räumt ein, er habe "Beulen und Dellen" aus den Verhandlungen davongetragen. Aber die Situation des Präsidenten rund ein Jahr vor dem Beginn der heißen Phase des Wahlkampfes lässt sich auch anders analysieren. Unmittelbar vor seinem Geburtstag hat er durch den Kompromiss einen Zahlungsausfall der Regierung und die Herabstufung der Kreditwürdigkeit der USA verhindert. Das "Armageddon", vor dem er warnte, ist abgewendet. Und für die vorangegangenen Grabenkämpfe machen die Amerikaner, auch das zeigen Umfragen, vor allem die Republikaner im Kongress verantwortlich, an zweiter Stelle die Demokraten und zuletzt den Präsidenten.

Morgen schon bestimmen andere Themen die Schlagzeilen, und übermorgen wird man sich vielleicht weniger an die Details des Kompromisses erinnern als an störrische und zerstrittene Fraktionen im Kongress - und an einen geduldigen Obama, der durch sein beharrliches Bemühen den Stillstand überwand und die Lösung fand.

Heute sollen Hunderte lokale Geburtstagspartys im ganzen Land, von Obamas Wahlkampfteam in Form von Graswurzelinitiativen angestoßen, die Anhänger ablenken. Der Präsident selbst feiert in seiner Wahlheimat Chicago, dem Cape Canaveral seines raketenartigen politischen Aufstiegs. Die Grammy-Gewinnerin Jennifer Hudson und die Jazz-Legende Herbie Hancock spielen auf, um Bürger und geladene VIP-Gäste in Spendenlaune zu bringen. Schon Ende Juni, drei Wochen nach dem Start der Wiederwahlkampagne, hatten die Organisation "Obama for America" und das Führungskomitee der Demokraten 86 Millionen Dollar eingesammelt. Das ist noch weit entfernt von der angestrebten einen Milliarde Dollar. Aber der erfolgreiche Auftakt der Betteltour hat Beobachter erstaunt.

Dabei hat das Weiße Haus Obama stark verändert. Er ist in den anderthalb Jahren grau geworden. "Malia und Sasha sagen, das lässt mich vornehm aussehen", erzählte er dieser Tage über seine dreizehn und zehn Jahre alten Töchter. Aber seine Frau, für ihren klaren Blick bekannt, zitierte er auch: "Michelle sagt, es macht mich alt."

Auf ihr Drängen hin hat er mit dem Rauchen aufgehört. Der 1,85-Meter-Mann hat seine schlaksige, jungenhafte Figur bewahrt, was in einem stressigen Amt mit zahllosen Nachtschichten am Schreibtisch nicht selbstverständlich ist. Bisher hat er die Gefahr der Gewichtszunahme erfolgreich bekämpft: auf dem Laufband, an Gewichten, beim Golf und gelegentlich als Trainer von Sashas Basketballmannschaft.

Stärker verändert hat sich die Wahrnehmung des Politikers Obama. Er stand einst für die Emanzipation der Minderheiten, insbesondere der Afroamerikaner, und seine Kandidatur 2008 wurde im Kern als linkes Projekt verstanden. Neben den Schwarzen waren es überproportional viele junge Erstwähler, Frauen und Hispanics, die ihn wählten. Kriegsgegner, Kapitalismuskritiker und Homosexuelle trommelten in Internet-Kampagnen für den Kandidaten, der alles anders zu machen versprach und mit dem Markenzeichen Hoffnung warb: "Yes, we can!"

Davon scheint die Gegenwart Lichtjahre entfernt: mit einer offiziellen Arbeitslosigkeit von neun Prozent und einem Immobilienmarkt, der bis heute nicht zur Stabilität zurückgefunden hat. Ein anderer Vorwurf ist nicht mehr zu hören, seit eine US-Kampfeinheit Osama Bin Laden tötete: Obama sei "entscheidungsschwach" und neige zur Aufgabe amerikanischer Interessen. Das Foto aus dem Situation Room des Weißen Hauses, in dem Obama mit seinen Sicherheitsberatern das Video des Anschlags verfolgt - Hillary Clinton hält sich erschreckt die Hand vor den Mund -, wurde nicht zufällig verbreitet. Es sollte den Amerikanern die harte, unnachgiebige Haltung demonstrieren, die schon John F. Kennedy und sein Bruder Robert im Weißen Haus auf Fotos während der Kuba-Krise zeigten. Der Friedensnobelpreis, den Obama 2009 erhielt, rückte ins Off.

Zwar lebt die Verschwörungstheorie, Obama sei illegal im Amt, weil er nicht auf Hawaii, sondern in Kenia geboren sei, in manchen "Birther"-Zirkeln weiter. Doch sie findet in der Mitte der Gesellschaft kein Echo mehr, seit er Ende April der Öffentlichkeit seine Geburtsurkunde präsentierte. Und die einst populäre Diffamierungskampagne, er sei ein heimlicher Sozialist schon wegen seiner Gesundheitsreform mit allgemeiner Versicherungspflicht, verträgt sich jetzt nicht mit der Beobachtung, er habe im Schuldenstreit die Positionen der Besserverdienenden und der Wirtschaft übernommen.

Obama ist im Spektrum der USA deutlich nach rechts gerückt. In der Außenpolitik unterscheiden sich seine Grundüberzeugungen kaum von denen seiner Vorgänger. In Details - wie dem gebrochenen Versprechen, Guantánamo binnen eines Jahres zu schließen - hat der idealistische Obama dem pragmatischen Commander-in-Chief Platz gemacht.

Das enttäuscht zwar die Liberalen (in den USA ein Synonym für "Linke"), die im Wahlkampf 2008 für ihn die Straße mobilisierten. Nächstes Jahr werden sie das nicht mehr tun. Aber sie werden Obama am 6. November trotzdem wählen, schon um einen Republikaner im Weißen Haus zu verhindern. Immerhin sind 72 Prozent der selbst erklärten Liberalen mit Obamas Amtsführung einverstanden, vermeldete Gallup am Montag.

Aber es wird auf die Mitte, die "Independents", ankommen. Sie sind in Wirtschafts- und Finanzfragen meist dichter beim pragmatischen Flügel der Republikaner als bei den Demokraten. Die "New York Times" glaubt denn auch, Obamas Entscheidung für massive Kürzungen von Staatsausgaben könne "ihm helfen, die unabhängigen Wähler zurückzugewinnen, die entscheidend waren für seinen Sieg 2008".

Die Unabhängigen lehnten während der Defizitverhandlungen die Forderung der Demokraten ab, den Schuldenkurs fortzusetzen und auf eine Reform der Sozialprogramme zu verzichten. Mindestens ebenso ungehalten waren sie über die Sturheit der Republikaner mit ihrer von der Tea Party entlehnten Position, keinerlei Steuererhöhung zuzulassen. Obama hatte sich vergeblich für einen "ausbalancierten Ansatz" eingesetzt; dabei soll auf vier Dollar aus Kürzungen ein Dollar aus neuen Steuereinnahmen kommen.

Im Wahlkampf dürfte er diese Idee erneut propagieren. Und er dürfte mit dem Mut zum Populismus das Ende der von Vorgänger George W. Bush verfügten Steuerkürzungen für Besserverdienende, für Hedgefonds-Manager, für Unternehmen in der Ölindustrie und für Firmenjets fordern. Das wird in wirtschaftlich schwierigen Zeiten, in denen die unteren Einkommensklassen und die Mittelschicht unter den beschlossenen staatlichen Kürzungen leiden, bei den Unabhängigen gut ankommen. Obamas Chancen für 2012 sind also trotz der vergangenen Wochen nicht schlecht. Aber eines wird für seinen Sieg oder sein Scheitern entscheidend sein: die Situation auf dem Arbeitsmarkt. Gibt es dort wenigstens Anzeichen für eine Besserung?

Es gibt nichts, das sich Barack Obama an seinem Geburtstag sehnlicher wünscht, als "Jobs, Jobs, Jobs".