Grab von Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß 24 Jahre nach seinem Tod eingeebnet worden. Familie wollte Neonazis keine Pilgerstätte bieten.

Wunsiedel. Das Grab des ehemaligen Stellvertreters von Adolf Hitler, Rudolf Heß, ist 24 Jahre nach seinem Tod eingeebnet worden. In Abstimmung mit seiner Familie seien seine Gebeine aus dem Grab im bayerischen Wunsiedel ausgegraben und zur Verbrennung abtransportiert worden, bestätigte Kirchenvorstand Peter Seißer am Donnerstag Medienberichte.

Die Aktion fand am frühen Mittwochmorgen statt – auf den Tag genau 67 Jahre nach dem gescheiterten Attentat auf den Diktator Adolf Hitler. Die sterblichen Überreste von Rudolf Heß sollen nun verbrannt und die Asche auf hoher See verstreut werden. „Damit soll verhindert werden, dass nach Wunsiedel ein neuer Wallfahrtsort für die Ewiggestrigen entsteht“, sagte Seißer.

Heß hatte am 17. August 1987 im Alter von 93 Jahren im Kriegsverbrechergefängnis in Berlin-Spandau Selbstmord begangen. Auf eigenen Wunsch wurde er im Grab seiner Eltern auf dem Friedhof von Wunsiedel beigesetzt. Schon kurz nach seinem Tod kam es zu ersten verbotenen Demonstrationen mehrerer Hundert Rechtsradikaler in der Kleinstadt im Fichtelgebirge. Deshalb sei die Überführung abgebrochen und die Leiche zunächst an einem unbekannten Ort bestattet worden. Erst sieben Monate nach seinem Tod wurde Heß nach Wunsiedel umgebettet, erinnert sich Seißer, der viele Jahre auch Landrat des Kreises Wunsiedel war.

Der Kirchenvorstand hatte die Grabrechte nun nicht mehr verlängert. Eigentlich wären sie bereits im Jahr 2007 ausgelaufen. Da später jedoch auch die Urne der Witwe von Rudolf Heß in das Familiengrab kam, hätte die Frist erst im Oktober dieses Jahres geendet. Die Familie habe zwar eine Fristverlängerung der Grabrechte beantragt. Der Kirchenvorstand habe diesem Antrag jedoch nicht entsprochen. Schließlich habe die Familie diese Entscheidung akzeptiert und selbst den Wunsch geäußert, dass das Grab von Rudolf Heß auf dem Friedhof von Wunsiedel nicht länger Schauplatz von Neonazi-Aktionen ist.

Seit Heß' Beisetzung hatten Rechtsextreme die Tage um den 17. August regelmäßig zu Gedenkmärschen in der Stadt genutzt. Proteste gegen die Aktionen der Neonazis lockten zunehmend auch autonome Gruppen nach Wunsiedel. Nach gewalttätigen Ausschreitungen wurden die Gedenkmärsche und Gegenkundgebungen in Wunsiedel 1991 erstmals verboten. Rechtsradikale und gewaltbereite linke Gruppen wichen deshalb zunächst auf die Festspielstadt Bayreuth und andere Städte im Bundesgebiet aus.

Nachdem das Bundesverfassungsgericht die Rechtsprechung zum Demonstrationsverbot gelockert hatte, war Wunsiedel von 2001 bis 2004 erneut Schauplatz von Heß-Gedenkmärschen. Auch auf Betreiben des Kirchenvorstands und zugleich Juristen Seißer verschärfte der Deutsche Bundestag schließlich im Jahr 2005, dem 60. Jahr nach Ende des Zweiten Weltkrieges, das Versammlungsrecht im Strafgesetzbuch. Damit konnten Aufmärsche von Neonazis leichter verboten werden.

Mit Material von dpa/dapd