Zollkontrollen verstoßen gegen Schengen-Abkommen. Berlin sieht die Lage nicht so ernst

Brüssel/Sopot. Als Vertreter der Europäischen Union vor ein paar Tagen die dänische Grenze besuchten, fanden sie erst mal - nichts. Keinen Hinweis auf Zollkontrollen, keine systematischen Überprüfungen. Doch die Experten der EU blieben noch etwas länger, beobachteten, befragten. Zurück in Brüssel, erstatteten sie nun Bericht - und halten die Grenzkontrollen der Dänen für ungerechtfertigt. Es gebe keine hinreichende Begründung für diese Maßnahme.

Nun droht die EU mit einer Klage gegen die dänische Regierung vor dem Europäischen Gerichtshof. "Die Kommission wird nicht zögern, alle zur Verfügung stehenden Mittel einzusetzen, um den freien Personen-, Waren- und Dienstleistungsverkehr zu garantieren", sagte die zuständige Kommissarin Cecilia Malmström.

Unter scharfem Protest aus Deutschland hatte Dänemark Anfang Juli damit begonnen, an den Grenzen zu Deutschland und Schweden wieder stichprobenartig zu kontrollieren. Die Regierung in Kopenhagen will mit Stichproben den Schmuggel von Drogen, Waffen und großen Geldmengen wirksamer als bisher verhindern. Doch die Experten der EU halten dies für unbegründet. Nach ihrer Einschätzung gab es keine ausreichende Risikobeurteilung, um die Kontrollen zu rechtfertigen. Zudem gab es keine klaren Anweisungen an die Beamten an den Grenzen dazu, wie die Kontrollen auszuführen sind. Es scheint auch keine strukturierten Berichte über die Zahl der Kontrollen und deren Ergebnisse zu geben. Malmström betonte, Dänemark müsse nun belegen, dass die Lage Kontrollen rechtfertige, die den freien Verkehr von Waren, Dienstleistungen und Personen an den Binnengrenzen mit Deutschland und Schweden beeinträchtigen könnten. Weitere Besuche vor Ort seien nicht ausgeschlossen.

Denn Brüssel fürchtet, dass Dänemark gegen die Regeln des Schengener Abkommens verstößt, das 1985 eine nie gekannte Reisefreiheit geschaffen hatte. Heute gehören ihm 25 Staaten an, darunter 22 EU-Länder sowie Norwegen, Island und die Schweiz. An den Grenzen dieser Staaten werden Reisende nicht mehr kontrolliert. Ausnahmen gelten nur bei Großereignissen wie Fußballspielen.

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich von der CSU schlägt im Streit mit Dänemark moderate Töne an. Die Kontrollen seien durchaus im Rahmen des Rechts, sagte Friedrich beim Treffen der EU-Innenminister gestern im polnischen Sopot. Dennoch kritisierte er, dass Dänemark falsche Signale ausgesendet habe. "Es hat natürlich zunächst einmal den Verdacht genährt, dass da Schengen ausgehöhlt werden soll. Wenn es nicht so ist, umso besser."

Eine Änderung oder Ergänzung des Schengen-Vertrags scheint unter den 27 Ländern nicht mehrheitsfähig zu sein. Die Blockierer werden von Spanien sowie Polen, das derzeit die EU-Ratspräsidentschaft innehat, angeführt, berichteten EU-Diplomaten. Eine Änderung würde ein langwieriges Gesetzgebungsverfahren nach sich ziehen. Der EU-Gipfel Ende Juni hatte beschlossen, Grenzkontrollen in der EU nur als letztes Mittel wieder zuzulassen. Die EU-Kommission wird im September einen Bericht dazu vorlegen.