Der chinesische Regimekritiker Ai Weiwei kommt gegen Kaution frei. Geständnis abgelegt?

Peking/Hamburg. Der chinesische Konzeptkünstler, Bildhauer und Regimekritiker Ai Weiwei ist gestern gegen Kaution nach zweieinhalb Monaten aus der Haft entlassen worden. Der international bekannte regimekritische Künstler war am 3. April am Flughafen von Peking verhaftet und an einen bis heute unbekannten Ort verschleppt worden. Nur wenige Tage vor den ersten deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen in Berlin ist der berühmte Regimekritiker nun wieder auf freiem Fuß. Schon wird spekuliert, ob die Freilassung ein Zugeständnis an Deutschland ist. Die Erwartung an Bundeskanzlerin Angela Merkel, sie müsse den "Fall Ai" aufs Tapet bringen, war groß. Diesen "Knackpunkt" haben die Chinesen vorsorglich zumindest entschärft. Grundsätzlich gilt das Verhältnis der beiden Länder nicht als einfach.

Ai Weiwei hatte sich durch seine offene Kritik an sozialen und politischen Zuständen unbeliebt gemacht. Schon im Vorfeld seiner Verhaftung wurde er attackiert; sein Atelier in Shanghai dem Erdboden gleichgemacht, er selbst verletzt. Kurz vor seiner Verhaftung hatte Ai Weiwei geäußert, er könne sich vorstellen, der Repressionen wegen im Ausland zu leben.

Die Festnahme hatten die chinesischen Behörden ohne weitere Details mit Wirtschaftsvergehen begründet; jetzt meldet die amtliche chinesische Nachrichtenagentur Xinhua, er habe Steuervergehen gestanden und sei zur Nachzahlung bereit. Außerdem sei die Freilassung wegen chronischer gesundheitlicher Probleme erfolgt. Der Vorwurf von Wirtschaftsvergehen, darauf weisen Menschenrechtsorganisationen hin, ist in China ein beliebter Vorwand, gegen Bürgerrechtler vorzugehen. "Mir geht es gut. Ich bin wieder zu Hause. Und ich bin frei. Ich kann aber nicht sprechen. Bitte verstehen Sie das", sagte Ai Weiwei laut einem Online-Bericht der "Bild"-Zeitung.

Die Verhaftung von Ai Weiwei und seine Verschleppung hatte international eine gewaltige Protestwelle ausgelöst. Etliche Regierungen forderten seine Freilassung, weltweit wurden Protestkundgebungen organisiert. In Hamburg demonstrierten Künstler vor dem chinesischen Generalkonsulat - sie stellten dort in Anlehnung an seine "Documenta"-Aktion "Fairytale" Stühle auf. Auch die Hamburger Bürgerschaft forderte die Freilassung des Künstlers.

Ai Weiwei wird in westlichen Kunstmetropolen wie ein Superstar gefeiert. Vielen Chinesen gilt er als "soziales Gewissen", weil er gesellschaftliche Probleme, Korruption und Ungerechtigkeiten thematisiert. In seiner Heimat hat Ai seine Kunst jedoch noch nie ausstellen können.

Unter China-Kennern wird das harte Vorgehen gegen den international renommierten und vernetzten Künstler auch als scharfes Warnsignal gegen andere Oppositionelle in China gesehen - nach dem Motto: Nicht einmal Ai Weiwei kann sich hier alles leisten. In China stieg die Nervosität der kommunistischen Machthaber zuletzt nach dem Friedensnobelpreis für den inhaftierten Autoren und Bürgerrechtler Liu Xiaobo und nach Internetaufrufen zu Jasmin-Protesten analog zu den Bürgeraufständen im arabischen Raum.