Rechtmäßigkeit gezielter Attacken auf Regimeverteter umstritten

Tripolis/Brüssel. Nato-Flugzeuge sollen gestern das Anwesen des libyschen Führungsmitglieds Al-Chuedi al-Hamidi angegriffen haben. Der Politiker, der dem Revolutionären Kommandorat Libyens angehört, wurde nicht verletzt, sagte Regierungssprecher Mussa Ibrahim in Tripolis. 13 Zivilisten, unter ihnen zwei Söhne und eine Schwiegertochter Al-Hamidis, seien bei dem Angriff ums Leben gekommen.

Acht Luft-Boden-Raketen schlugen in den Gebäudekomplex in Surman 80 Kilometer westlich von Tripolis ein, berichtete ein BBC-Reporter vor Ort. Seinen Angaben zufolge waren unter den Toten zwei Kleinkinder und eine schwangere Frau.

Al-Hamidi gehört zum inneren Machtzirkel um Oberst Muammar al-Gaddafi. Er war ein Gefährte des Diktators, als dieser sich 1969 unblutig an die Macht putschte. Eine seiner Töchter ist mit Gaddafis ältestem Sohn Saadi verheiratet. Zuletzt kursierten allerdings Gerüchte, dass er seine politischen Ämter niedergelegt habe und unter Hausarrest stehe.

Von der Nato lag zunächst keine Stellungnahme zum Angriff auf das Haus in Surman vor. Das nordatlantische Bündnis greift auf der Grundlage eines Uno-Sicherheitsratsmandats militärische Ziele in Libyen an, um die Zivilbevölkerung vor Übergriffen des Gaddafi-Regimes zu schützen. Gezielte Attacken auf Gaddafi selbst oder sein Führungspersonal sind nach Ansicht von Experten durch dieses Mandat nicht gedeckt.

Am Sonntagabend hatte die Nato eingeräumt, irrtümlich ein Wohnhaus in Tripolis bombardiert zu haben. Der Oberkommandeur des Nato-Einsatzes in Libyen, der kanadische General Charles Bouchard, bedauerte in einer Erklärung den Vorfall. Dabei waren nach offiziellen libyschen Angaben in der Nacht zum Sonntag drei Zivilisten, unter ihnen ein Kleinkind, ums Leben gekommen.

"Obwohl wir die Einzelheiten des Zwischenfalls noch ermitteln, scheint es so, dass ein Fehler in einem Waffensystem diesen Zwischenfall verursacht hat", hieß es in der Erklärung Bouchards. "Es scheint, als ob eine Bombe nicht das beabsichtigte Ziel getroffen hat." Der Verlust unschuldiger Menschenleben werde bedauert.

Angesichts der vom libyschen Übergangsrat eingeforderten finanziellen Unterstützung erwägt die Bundesregierung, eingefrorene Gelder des Gaddafi-Regimes zur Verfügung zu stellen. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) sagte, der Ruf nach Hilfe sei berechtigt, weil der Nationale Übergangsrat sich eindeutig zur Demokratie bekannt und erklärt habe, alle Volksstämme Libyens vertreten zu wollen.