Entwicklungsminister fordert Kampf gegen Korruption und Achtung der Menschenrechte

Kabul. Durch den Feierabendstau in Kabul musste Dirk Niebel sich nicht kämpfen. Seine schwer bewachte Wagenkolonne hatte im dichten Verkehr aus Autos, Eselskarren und Fahrrädern automatisch Vorfahrt - vor allem bei dem Fahrziel Präsidentenpalast. Dort war der deutsche Entwicklungsminister gestern gewissermaßen zum Nachmittagstee geladen. Ein Plauderstündchen wurde die Begegnung mit Hamid Karsai nicht, dafür gab es zu viele ernste Themen zu besprechen.

Eines davon war Karsais überraschendes Bekenntnis vom Wochenende, die USA hätten Kontakt zu den Taliban aufgenommen und die Gespräche verliefen "gut". Im Gespräch mit Niebel nun ruderte Karsai zurück. Er habe nicht über Verhandlungen zwischen den USA und den Taliban gesprochen. Fest stehe, dass der Versöhnungsprozess auf verschiedenen Ebenen unterschiedlich unterstützt werde. Wohin die Gespräche führen könnten, ist ebenso offen wie die Rolle, die Deutschland dabei spielen könnte.

Vor dem Treffen mit Karsai hatte Niebel ein Gespräch mit Finanzminister Omar Sakhilwal. Dieser hatte quasi als Willkommensgeste veranlasst, dass der Zoll 28 gepanzerte Jeeps freigibt. Die Fahrzeuge, die unter anderem für deutsche Entwicklungshelfer gedacht sind, waren von den afghanischen Behörden rund ein halbes Jahr lang festgehalten worden. Niebel hatte deshalb seinerseits die Gangart verschärft und den ersten Teil der für dieses Jahr avisierten Finanzhilfen gestoppt. Das afghanische Finanzministerium will nun daran arbeiten, dass solche Zoll-Blockaden nicht mehr vorkommen. Eine weitere Bedingung, die Niebel vor der Auszahlung des Geldes erfüllt haben wollte, bezog sich auf ein schärferes Vorgehen der Afghanen gegen Korruption.

Auch den zweiten Teil der für dieses Jahr geplanten Finanzhilfen, es handelt sich um 110 Millionen Euro, will der Entwicklungsminister nur zahlen, wenn die Afghanen in einem Bericht weitere Fortschritte deutlich machen können: bei der Einhaltung der Menschenrechte, beim Kampf gegen Korruption und bei der guten Regierungsführung. Außerdem muss ein Streit zwischen Afghanistan und dem Internationalen Währungsfonds gelöst sein, der seit dem vergangenen Herbst schwelt. Dabei geht es um einen Betrugsfall, in dem die wichtigste Bank in Afghanistan und Familien von afghanischen Spitzenpolitikern verwickelt sind. Sie sollen sich Geld geliehen und es bislang nicht zurückgezahlt haben. Wird dieser Fall nicht aufgeklärt, fehlen nicht nur die Millionenhilfen aus Deutschland: Der wichtigste Wiederaufbaufonds, der vor allem von den Vereinigten Staaten und Großbritannien gefüllt wird, bekommt kein weiteres Geld.