Den Europäern fehlen die Kapazitäten für einen langen Kriegseinsatz gegen die Armee von Gaddafi

Hamburg. Als der Union Jack unter den melancholischen Klängen von Dudelsäcken eingeholt wurde, lief den meisten Gästen an Bord des ehrwürdigen Kriegsschiffes im Hamburger Hafen ein Schauer über den Rücken. Nach ihrem letzten Auslandsbesuch, für den sich die Besatzung ausdrücklich die anglophile Hansestadt gewünscht hatte, wurde der britische Flugzeugträger "Ark Royal" mit seinen Harrier-Senkrechtstartern außer Dienst gestellt.

Das war Ende November, und ein gutes halbes Jahr nach dieser bewegenden Szene hat der Chef der britischen Marine, Admiral Sir Mark Stanhope, nun erklärt, die Navy könne ihr Engagement in Libyen nicht weiter aufrechterhalten - nicht zuletzt aufgrund der umstrittenen Außerdienststellung der "Ark Royal". Die Harriet der "Ark Royal" hätten gegen die Bodentruppen des libyschen Diktators Muammar al-Gaddafi eingesetzt werden können, die Kampfjets hätten direkt vor der Küste Libyens starten können, anstatt jedes Mal den eineinhalb Stunden langen Anflug von der italienischen Basis Gioia del Colle zurücklegen zu müssen, sagte Sir Mark in einem indirekten Angriff auf die Regierung von Premier David Cameron - die der britischen Marine zwar schmerzhafte Einschnitte zugemutet, sie dann aber in den Libyen-Einsatz geschickt hatte. Wie der "Daily Telegraph" schrieb, warnte der Admiral, dass die Navy diesen Einsatz nicht weitere drei Monate durchhalten könne, ohne anderswo Lücken zu reißen. Sir Mark räumte ein, dass die Marine bereits gezwungen sei, die USA um "Tomahawk"-Marschflugkörper zu bitten, da eigene Bestände zur Neige gehen.

Und wie der Londoner "Guardian" berichtete, glaubten die Briten und ihre Verbündeten nicht mehr daran, nur mit militärischen Mitteln den Konflikt in Libyen beenden zu können. Man hoffe auf zunehmende Desertionen in der libyschen Armee. "Niemand hat mehr einen militärischen Sieg vor Augen", zitierte der "Guardian" einen hohen britischen Regierungsbeamten.

Das alles ist Wasser auf die Mühlen des Pentagon. US-Verteidigungsminister Robert Gates hatte vor wenigen Tagen seinen Unmut über die europäischen Partner mit ihren Budget-Kürzungen herausgelassen und gesagt, es könne nicht angehen, dass den Europäern bereits jetzt die Munition ausgehe und die USA einspringen müssten. Gates warnte im "Handelsblatt" vor einer "zweigeteilten" Nato, bei der die einen kämpften und die anderen nur den Schutz der Allianz genössen.

Die Truppen Gaddafis haben sich als viel zäher erwiesen als erwartet; das von Frankreich und Großbritannien vorangetriebene Militärengagement gestaltet sich weit aufwendiger und kostspieliger als geplant.

Noch leisten die USA begrenzte Unterstützung für die Verbündeten, doch der republikanische Sprecher des US-Repräsentantenhauses und Gegenspieler von Präsident Barack Obama, John Boehner, warnte, ab Sonntag verstoße Obama gegen die "War Powers Resolution". Das Gesetz von 1973 verpflichtet jeden Präsidenten, einen Militäreinsatz nach 90 Tagen vom Kongress autorisieren zu lassen. Boehner verlangte zu wissen, auf welcher rechtlichen Grundlage das US-Militär eigentlich in Libyen engagiert ist. Das Londoner Institut für Strategische Studien warnt bereits, je länger der Krieg dauere, desto größer sei die Gefahr, dass er in eine Riesenpleite mit vielen zivilen Opfern münde. Zudem bestehe die Gefahr, dass sich die Kämpfe auf Tunesien ausweiteten.