Besuch des Außenministers in Libyen löst heftige Kritik des Gaddafi-Regimes aus

Jerusalem. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) hat vor einer Eskalation des Nahost-Konflikts gewarnt, falls der Friedensprozess nicht bald wieder in Gang kommt. "Wir müssen jetzt aufpassen, dass wir hier im Nahen Osten nicht in eine sehr gefährliche Sackgasse geraten", sagte er gestern in Jerusalem. "Es ist ganz klar, dass die Zeit gegen alle arbeitet." Sprachlosigkeit und Stillstand bei den Verhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern könnten schnell wieder zu Gewalt führen.

Während der Außenminister gestern Gespräche mit israelischen und palästinensischen Regierungsvertretern führte, besuchte Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) den Gazastreifen und forderte dort ein Ende der Blockade des palästinensischen Gebiets. Zugleich verlangte er von militanten Palästinensergruppen, die Waffenruhe mit Israel einzuhalten. Westerwelle traf in Ramallah den palästinensischen Ministerpräsidenten Salam Fajad, in Jerusalem standen anschließend Gespräche mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und Außenminister Avigdor Lieberman auf seinem Programm.

Der Nahost-Friedensprozess liegt seit Langem auf Eis. Die Palästinenser haben damit gedroht, im September bei der Uno-Vollversammlung die Anerkennung eines eigenen Staates zu beantragen, falls es bis dahin keine Verhandlungserfolge gibt. Westerwelle rief die Konfliktparteien dazu auf, auf solche einseitigen Schritte zu verzichten. Das gelte genauso für den Siedlungsbau der Israelis. "Das alles würde eher die Gefahr einer Eskalation vergrößern."

Fajad ging auch auf Nachfrage nicht näher auf die palästinensischen Drohungen ein. Ziel sei ein souveräner palästinensischer Staat, sagte er lediglich. Es werde im September in New York eine Uno-Vollversammlung stattfinden, "und wir werden dabei sein".

Westerwelle und Niebel waren am Montagabend nach einem Blitzbesuch in der libyschen Rebellen-Hochburg Bengasi in Israel eingetroffen. In Bengasi hatte der Außenminister die Übergangsregierung der Gaddafi-Gegner als legitime Vertretung des libyschen Volkes anerkannt. Das Regime reagierte mit Kritik. Tripolis betrachte dies als "unverantwortlichen Schritt" sowie als "eklatante Verletzung der nationalen Souveränität und Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines souveränen Staates und Uno-Mitgliedslandes", hieß es in einer Erklärung des libyschen Außenministeriums.