Kampagnen gegen den Rettungsschirm für Griechenland oder Portugal haben Erfolg

Brüssel. Kari Ruokonen kann sein Unwohlsein nicht verbergen. Nein, er habe bei der Parlamentswahl am vergangenen Sonntag die Partei Wahre Finnen nicht gewählt, betont er. "Aber ich kann in ihrer Kampagne gegen die Rettung Griechenlands einen Sinn erkennen." Ruokonen muss mindestens bis 63, wenn nicht bis 67 arbeiten, fast 60 Prozent muss er von seinem Einkommen abgeben. "Wir Finnen zahlen fleißig Steuern, denn Ehrlichkeit ist das Rückgrat unserer Gesellschaft. Ich finde es aber schwierig, dass meine Steuergelder Ländern helfen, die die EU fortwährend angelogen haben und wo Steuerhinterziehung ein Hobby ist."

Ruokonen gibt wieder, was nicht nur die Finnen denken: In vielen Staaten Europas haben die Bürger das ungute Gefühl, dass ihre Regierungschefs in Brüssel Zusagen machen, die sie nicht verstehen. Nicht nur, weil die Erklärungen dazu kaum verständlich sind. Sondern vor allem, weil sie nicht sehen, wieso Milliarden an Staaten in Not von Vorteil für das eigene Land sein sollen.

So ist es möglich geworden, dass die Wahren Finnen beinahe aus dem Nichts zur drittstärksten Kraft in dem nordeuropäischen Land geworden sind. Ihr Chef Timo Soini hat die Menschen nicht mit seinen Parolen gegen Einwanderung, Abtreibung und öffentliche Förderung von Kunst geködert. Sondern mit seinem Radikalkurs gegen die Euro-Rettung. "Wir haben Geld für Portugal, aber nicht für die Armen", lautet Soinis einprägsam kurzer Slogan.

Ein simpler Spruch, der in Zeiten komplexer Krisen gut ankommt, nicht nur in Finnland, das als eines der europafreundlichsten der 27 EU-Mitglieder gilt. Auch in den Niederlanden, ebenfalls traditionell ein Pro-EU-Land, wird die Gangart rauer. Was passieren würde, wenn Portugals neue Regierung den von Brüssel vorgeschriebenen Sparkurs nicht einhält, wurde jüngst Finanzminister Jan Kees De Jager gefragt. "Dann werden die Zahlungen an Portugal sofort gestoppt." Wer gegen Gesetze verstößt, müsse bestraft werden.

Die Zeiten diplomatischer Floskeln gegenüber den EU-Partnern sind vorbei. De Jager gehört zu den regierenden Christdemokraten, ihre Minderheitskoalition ist auf das Wohlwollen des EU-Hassers Geert Wilders angewiesen. Wilders ist ein ähnliches Phänomen wie der Finne Soini, seine Partei PVV wurde vergangenes Jahr mit 15,5 Prozent ebenfalls drittstärkste Kraft.

Die Nationalpopulisten treiben die Volksparteien vor sich her. Der niederländische Premier Mark Rutte schrieb im Koalitionsvertrag fest, dass künftig eine Milliarde Euro weniger nach Brüssel überwiesen werde. Die Politik in den Nettozahlerländern reagiert auf die Forderung der Menschen, dass die Solidarität zu Ende sei und jedes Land zuerst an sich selbst denken müsse. Eurobarometer-Umfragen belegen, dass immer weniger Bürger die EU als den besten Manager in der Krise sehen. Stattdessen wollen sie, dass ihre nationalen Regierungen entscheiden - zu Beginn der Krise war es genau andersherum.

Ob in Frankreich, wo Front-National-Chefin Marine Le Pen die EU als eine "Europäische Sowjetunion" beschimpft. Ob in Italien, Österreich oder den skandinavischen Ländern - die Euroskeptiker sind im Aufwind. "Das Gefährliche ist, dass die Volksparteien durch sie ebenfalls zu immer schärferen EU-Kritikern werden", sagt Piotr Kaczynski vom Brüsseler Centre for European Policy Studies. Diese Tendenz zieht sich aber auch in die neuen EU-Länder, die den Euro größtenteils noch gar nicht haben. Beispiel Ungarn, das derzeit die EU-Ratspräsidentschaft hält. Viktor Orbans nationalpopulistische Regierung wehrte sich vergangenen Sommer vehement gegen Sparauflagen des Internationalen Währungsfonds. Fremdbestimmung ist eine Urangst der Ungarn, und sie kehrt in Form scharfer Euroskepsis zurück, die vor allem die rechtsextreme Jobbik beschwört. Auch Jobbik ist eine drittstärkste Kraft. "Bis vor gar nicht langer Zeit hieß es in Bezug auf europäische Integration: 'Wir müssen mehr machen'", sagt Josef Janning vom European Policy Centre. "Jetzt heißt es: ,Wir müssen festhalten, was wir haben.'"

Am 16. Mai bekommen die Wahren Finnen ihre Chance, der EU eins auszuwischen. Dann müssen die EU-Finanzminister einstimmig über die Hilfen für Portugal entscheiden. Timo Soini ist strikt dagegen, und er könnte dann in Helsinki in der Regierung sitzen. Zwar liegt Finnland weiter in Europa und zahlt mit dem Euro. Dass ein Land irgendwann aber die Notbremse zieht, war nur eine Frage der Zeit.