Weniger als die Hälfte der Entwicklungshilfe kommt wirklich armen Ländern zugute

Brüssel. Das Projekt hatte den schönen Namen "Ich tanze, darum bin ich". Eine belgische Hilfsorganisation wollte damit Teenagern in Burkina Faso bei der "soziokulturellen Integration" helfen. Mehr als 460 000 Euro bekamen die Belgier dafür von der EU-Kommission. Burkina Faso gehört zu den ärmsten Ländern der Welt, ein Mensch muss dort nach Uno-Berechnung mit einem Euro pro Tag überleben.

Im Vergleich zu Millionengeldern, die Jahr für Jahr aus Brüssel an Despoten wie Libyens Machthaber Muammar al-Gaddafi gingen, nimmt sich das Projekt in Westafrika lächerlich aus. Doch spätestens mit Beginn des Arabischen Frühlings muss sich Brüssel stärker denn je die Frage gefallen lassen, wie gerade in Zeiten der Krise Hilfsfonds gezielter eingesetzt werden können. Wichtiger noch: wie der falsche Einsatz der Milliardengelder aus den 27 EU-Staaten sanktioniert werden kann.

Eine Studie der euroskeptischen Organisation Open Europe belegt nun, dass weniger als die Hälfte der Gelder aus Brüssel wirklich armen Ländern zugutekommt. So führt die Türkei im Jahr 2009 mit rund 550 Millionen Euro die Rangfolge der Hilfsempfänger an.

Allerdings sind dabei auch Gelder aus den Töpfen eingerechnet, die Brüssel EU-Kandidaten zur Vorbereitung auf die Mitgliedschaft bereitstellt. Daraus ergibt sich, dass rund 50 Prozent der von der EU bereitgestellten Gelder nicht an Hilfsorganisationen gehen, sondern direkt an die Regierungen, was eine Kontrolle schwieriger macht.

Europa ist weltweit der größte Geber, 2010 kamen aus den 27 Mitgliedsländern fast 54 Milliarden Euro.

Im Herbst 2008 eröffnete die EU-Kommission in Bamako, der Hauptstadt Malis, ein "Migrationszentrum". Es sollte als Anlaufstelle in der Subsahara helfen, illegale Auswanderung zu unterbinden und legale zu fördern. Letztere ist ein Kernziel der EU-Kommission. Innenkommissarin Cecilia Malmström will die "zirkuläre Migration" fördern - Auswanderungswillige können für eine begrenzte Zeit legal in Europa arbeiten, kehren dann aber in ihre Heimat zurück. Zehn Millionen Euro steckte die EU-Kommission in das Zentrum. Nach Angaben von Open Europe konnten aber bisher nur sechs Malier vermittelt werden, denn nur Spanien hat Arbeitskräfteabkommen mit Bamako vereinbart. Und ohne Einwilligung der Mitgliedstaaten kann keine Vermittlung stattfinden.

Berechnungen von Open Europe ergeben, dass pro Kopf in der europäischen Nachbarschaft und Kandidatenländern rund 7,30 Euro ankommen, während es in Schwarzafrika nur 2,70 Euro sind. "Geopolitische Erwägungen und alte koloniale Bindungen diktieren, wo das Geld hingeht", schreibt Autor Stephen Booth. Ein Vorwurf, den die Kommission zurückweist. "Das ist absolut falsch", so eine Sprecherin von Andris Piebalgs, EU-Kommissar für Entwicklung. "Wir geben in insgesamt 150 Ländern Gelder und sind präsent in fragilen Regionen, wo andere Staaten nicht hingehen - etwa in Sierra Leone oder Afghanistan."

Brüssel weist auch darauf hin, dass die Ausgaben aus dem Entwicklungsbudget in den vergangenen Jahren immer als korrekt entlastet wurden. Dies ist Aufgabe des Europäischen Rechnungshofes, unabhängiger Prüfungsfirmen und des EU-Parlaments.