Erste Muslimin droht mit Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte

Paris. Kaum gilt in Frankreich das Burka-Verbot, schon droht eine erste Muslimin mit einer Klage am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. "Dieses Gesetz ist ein Verstoß gegen meine Rechte", sagte die 32-jährige Kenza Drider aus dem südfranzösischen Avignon, als sie - bis auf einen Augenschlitz verhüllt - gestern mit dem Zug in Paris eintraf. Es sei ihr Recht, sich frei zu bewegen und frei ihre Religion auszuüben.

"Ich begehe kein Verbrechen, ich bin durch und durch Französin, und ich übe meine europäischen Rechte aus", sagte die vierfache Mutter, die in Paris nach eigenen Worten zu einer Fernsehsendung eingeladen war. In Frankreich ist es seit gestern gesetzlich verboten, sein Gesicht zu verschleiern oder zu vermummen; bei Verstößen kann die Polizei eine Geldstrafe von bis zu 150 Euro und einen Kursus in Staatsbürgerkunde verhängen. Das Verbot sei ein Verstoß gegen das Gesetz, sagte Drider.

Vor der Kirche Notre Dame nahm die junge Frau im Anschluss an einer Protestkundgebung gegen das Gesetz teil und bekam es prompt mit der Polizei zu tun - allerdings nicht, weil sie den Nikab trug, sondern weil die Demonstration nicht angemeldet war. Die Polizei nahm die Personalien Driders und einiger Mitstreiter auf. Es sei nicht um den Schleier gegangen, sondern um die unerlaubte Demonstration, betonte ein Polizeisprecher. Die Beamten lösten die Kundgebung auf. Die Polizeigewerkschaft SCPN warnte davor, das Burka-Verbot werde "unendlich schwierig anzuwenden" sein. Wenn die Polizei in der Öffentlichkeit eine Muslimin mit einem Ganzkörperschleier wie der traditionellen afghanischen Burka oder dem Nikab sehe, werde sie die Frau ansprechen und "belehren", sagte SCPN-Vizechef Manuel Roux. Sollte die Frau aber auf dem Schleier beharren, werde es "richtig kompliziert". Denn die Polizei könne sie nicht zwingen und sei vom Innenministerium eigens angewiesen worden, "bloß keine Gewalt" anzuwenden. Schon ein einfaches Einschreiten der Polizei werde zu Ärger führen, sagte der Gewerkschaftssprecher. "Ich mag mir gar nicht vorstellen, was passiert, wenn wir eine verschleierte Frau in einem Problemviertel ansprechen", gab Roux zu bedenken.

Schätzungen zufolge betrifft das Gesetz in Frankreich 2000 Frauen. Staatschef Nicolas Sarkozy hatte in der Vergangenheit mehrfach betont, dass Schleier wie die Burka in Frankreich "nicht willkommen" seien.