Auswechseln der Gedenktafel vor Besuch der Präsidenten sorgt für Verstimmung

Warschau. Trauerfeiern, Gedenktafeln für die Toten, Gottesdienste, Konzerte und ein Fahrradkorso: Gestern gedachte Polen des Flugzeugabsturzes vom 10. April 2010, bei dem neben Präsident Lech Kaczynski 95 weitere Passagiere ums Leben gekommen waren, darunter hohe Militärs, Politiker und Geistliche. Das Unglück bei Smolensk im Westen Russlands und die gemeinsame Trauer hatten vor einem Jahr die bereits begonnene polnisch-russische Annäherung dramatisch beschleunigt. Dann, als es an die Aufklärung der Ursachen des Unfalls ging, wurde die Stimmung trüber.

Am Wochenende sorgte ein Vorfall in Smolensk für Empörung in Polen. Kurz vor der Trauerfeier, zu der heute die Präsidenten Bronislaw Komorowski und Dmitri Medwedew am Unglücksort sein werden, tauschten die russischen Behörden dort über Nacht die Gedenktafel für die Opfer aus. Auf der voriges Jahr von den Polen installierten Tafel hatte auch gestanden, warum die Delegation 2010 auf dem Weg nach Russland gewesen war: um der Opfer des "sowjetischen Völkermords von 1940" in Katyn und anderen Orten zu gedenken, bei dem auf Befehl Stalins 22 000 inhaftierte Polen erschossen worden waren. Die russischen Behörden setzten jetzt eine neue, zweisprachige Tafel auf den Gedenkstein, auf dem Katyn nicht mehr vorkommt. Polnische Regierungsvertreter zeigten sich verwundert und stellten infrage, ob Präsident Komorowski jetzt mit Medwedew wie geplant am Gedenkstein Blumen niederlegen könne.

Umfragen zufolge glauben zwei Drittel der Polen, dass die Unglücksursachen nicht hinreichend geklärt wurden und dies nicht bald zu erwarten ist. Im Januar hatte das Moskauer Luftfahrtkomitee seinen Bericht vorgelegt. Die Ermittlungen der polnischen Kommission sowie der Staatsanwaltschaften beider Länder dauern an. Als unbestritten gilt auf beiden Seiten, dass der hohe Erwartungsdruck seitens der ranghohen Passagiere, pünktlich zu landen, die polnischen Piloten zum Landeversuch trotz Nebels bewegt habe. Unterschiedliche Ansichten gibt es über die Rolle der russischen Fluglotsen.