Republikaner könnten die Zahlungsfähigkeit der US-Regierung blockieren

Washington. Kein Anschluss unter dieser Nummer: Die Patienten-Hotline des Nationalen Gesundheitsinstituts (NIH) der Vereinigten Staaten blieb stumm. Pro Tag blieben bis zu 30 000 Visa-Anträge von Ausländern liegen, die einen Besuch der USA geplant hatten und insgesamt 200 000 beantragte Reisepässe von US-Bürgern, die ins Ausland reisen wollten. Polizeirekruten und mindestens 400 künftige Grenzbeamte bekamen die Nachricht, ihre Anstellung verzögere sich "auf unbestimmte Zeit". In 368 Nationalparks blieben die Ranger zu Hause. In Washington DC waren der Zoo und die Museen der Mall geschlossen.

Das waren einige der Auswirkungen des "Government-Shutdown", der Regierungsschließung zur Jahreswende 1995/96. Der Stillstand dauerte vom 14. bis 19. November und noch einmal vom 16. Dezember bis zum 6. Januar 1996. Weil auch aktuell Kongress und Weißes Haus über den Haushalt streiten, drohte eine erneute Zwangsbeurlaubung von diesmal rund 800 000 Regierungsangestellten. Nur als unverzichtbar definierte Beamte müssten weiterarbeiten, um die Funktionsfähigkeit des Staates aufrechtzuerhalten. Auch das Militär bliebe aktiv. Um Mitternacht Ortszeit (Sonnabend 6 Uhr, MESZ) lief die Frist für einen Kompromiss aus.

Präsident Barack Obama, John Boehner, republikanischer Mehrheitsführer im Repräsentantenhaus, und Harry Reid, Sprecher der den Senat dominierenden Demokraten, hatten bis in den späten Abend verhandelt. Es geht um ein gigantisches Haushaltsdefizit und um Milliardenkürzungen. Aber auch um die Demonstration politischer Macht und nicht zuletzt um ideologische Verhärtungen. Der aktuelle Etat ist um 1,3 Billionen Dollar (900 Milliarden Euro) unterfinanziert. Das sind 8,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. 1995, in der Amtszeit von Bill Clinton, lag das Defizit bei vergleichsweise harmlosen 164 Milliarden Dollar, damals 2,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Obama ist der Präsident, er will nächstes Jahr wiedergewählt werden, und er muss seinen ohnehin zunehmend enttäuschten Anhängern im linken Spektrum zeigen, dass er sich von den Republikanern nicht am Nasenring durch die Arena führen lässt. Boehner hingegen will beweisen, dass seit den Midterm-Elections und der republikanischen Machtübernahme im Abgeordnetenhaus eine neue Zeit in Washington begonnen habe und anstelle des ausgabenfreudigen "big Government" nun verantwortungsvolle Etatsanierung betrieben werde.

Beim faktischen Einsparbetrag sind sich die Unterhändler recht nahegekommen. Die Demokraten bieten inzwischen Kürzungen von 33 Milliarden Dollar an. Die Republikaner, die zunächst die Streichung von über 60 Milliarden Dollar forderten, ließen sich auf 40 Milliarden herunterhandeln. Demnach wäre der Kompromiss nur sieben Milliarden Dollar entfernt. Doch ideologische Überzeugungen verhärten die Gespräche. Der heftigste Streit tobt dabei um die Organisation Planned Parenthood. Die Republikaner wollen die staatliche Unterstützung der Schwangerschaftsberatung, die 350 Millionen Dollar vom Staat bekommt, beenden. Sie sehen darin eine "Steuerfinanzierung der Abtreibung". Vor allem Michele Bachmann, Repräsentantin aus Minnesota und Wortführerin des christlich-konservativen Flügels der Volkszornbewegung Tea Party, treibt in dieser Frage den im Kern verständigungsbereiten Boehner vor sich her. Dass Präsident Nixon, ein Republikaner, die Subventionierung von Planned Parenthood 1970 begann, irritiert Bachmann nicht.

Obama und die Demokraten wurden vor Ablauf des Ultimatums nicht müde, vor den ökonomischen Folgen eines Shutdown zu warnen. Regierungsangestellte bekämen ihre Gehaltsschecks erst nach Monaten und schränkten darum ihre Ausgaben zum Schaden der Konjunkturbelebung ein.

Unabhängig vom Ausgang des Kräftemessens bleibt der bedrohliche Befund, dass in den USA die Ausgaben der Regierung seit Jahren schneller wachsen als die Einnahmen. Um einen Schulden-Tsunami für künftige Generationen zu vermeiden, müssen die Demokraten schmerzlichen und massiven Einsparungen zustimmen. Die Republikaner werden am Ende bestimmte Steuererhöhungen akzeptieren müssen. Und das öffentliche Gesundheitssystem, Medicare und Medicaid, bedarf gründlicher Reformen und der Umstellung auf Effizienz und Sparsamkeit. Die Kompromisse, die dafür auf beiden Seiten nötig wären, übersteigt die im aktuellen Machtpoker signalisierte Konzessionsbereitschaft bei Weitem.