Vereinte Nationen melden Erfolg ihrer Offensive auf Abidjan. Aber wo ist der abgewählte Präsident Laurent Gbagbo?

Kapstadt/Abidjan. Wo ist Laurent Gbagbo? Diese Frage dominierte in der Elfenbeinküste die Schlacht um die Wirtschaftsmetropole Abidjan. Der abgewählte Präsident des westafrikanischen Landes ist seit Tagen nicht mehr gesehen worden. Die britische BBC zitierte eine anonyme Quelle der Vereinten Nationen, wonach sich Gbagbo in einem Bunker seiner Residenz versteckt hält - verteidigt von den Truppen, die sich noch nicht den Anhängern von Wahlgewinner Alassane Ouattara gestellt haben.

Eine offizielle Bestätigung steht weiterhin aus, die Lage ist angesichts der schweren Kämpfe unübersichtlich. Don Ahou Mello, ein Sprecher Gbagbos, sagte, der Präsident sei "noch immer in Abidjan", konkreter wurde er nicht. Ouattaras Männer hatten seit Tagen den Präsidentenpalast belagert und vermeldet, sie hätten die Kontrolle übernommen - verfrüht. Doch gestern Nachmittag trat der Uno-Sonderbeauftragte für die Elfenbeinküste mit einer überraschenden Mitteilung an die Öffentlichkeit: "Der Krieg ist vorbei", sagte Choi Young-jin trotz anhaltender Maschinengewehrschüsse in der Stadt. Die Feinde würden "schlicht wegschmelzen", alle Top-Generale hätten sich ergeben, auch der Außenminister sowie der Armeechef. "Er (Gbagbo) ist in seinem Keller und bereit, sich zu ergeben", sagte Choi. Die Schüsse seien lediglich aus isolierten Gegenden zu hören, in der die Nachricht noch nicht angekommen sei.

Seit Montagabend hatten Hubschrauber der Uno und Frankreichs Attacken gegen Gbagbos Residenz, mehrere Büros und zwei Militärbasen geflogen. US-Präsident Barack Obama hatte Gbagbo eindringlich aufgefordert, "seinen Anspruch auf das Präsidentenamt zu beenden" und Respekt vor den Bürgern der Elfenbeinküste zu zeigen. Uno-Generalsekretär Ban Ki-moon begründete die offensive Auslegung der Uno-Resolution Nr. 1975 mit "dem eskalierenden Gebrauch von schweren Waffen wie Minenwerfern, Panzerabwehrraketen und Maschinengewehren gegen die Zivilbevölkerung in Abidjan". Gbagbos Gefolgsleute verbreiten hingegen die Mär von einer internationalen Verschwörung, sie riefen wiederholt zum Waffenstillstand auf.

Selbst wenn die Kämpfe diesmal tatsächlich beendet werden - Ouattaras Anhänger hatten ihren Sieg schon mehrfach vermeldet -, ist der Konflikt längst nicht beendet. Fast ein Jahrzehnt lang hatten die Vereinten Nationen versucht, in dem erbitterten Ressourcenkonflikt zwischen dem Süden und Norden der ethnisch, politisch und religiös tief gespaltenen Elfenbeinküste zu vermitteln. Mit dem nach den rund 1000 Toten der aktuellen Kämpfe dringend erforderlichen militärischen Eingreifen von Blauhelmen und französischem Militär beginnt der Versöhnungsprozess von Neuem. Gbagbo, der rhetorisch geschickte Gelehrte aus dem Süden, sprach offen von einer Verschwörung des Westens zugunsten Ouattaras, der lange in den USA lebte. Die bislang erfolgreiche Offensive der Vereinten Nationen und Frankreichs gibt dieser Theorie auf den Straßen Abidjans neue Nahrung.

Erschwerend kommt hinzu, dass Ouattaras Anhänger offenbar erheblichen Anteil bei Übergriffen gegen die Zivilbevölkerung hatten, bei denen nach Angaben des Kinderhilfswerks Unicef auch viele Kinder und Jugendliche getötet wurden. Und auch die wirtschaftliche Krise wird Folgen für die Stabilisierung der Elfenbeinküste haben: Die Industrie des mit 40 Prozent Anteil an der weltweiten Produktion wichtigsten Kakao-Lieferanten liegt völlig am Boden - und das in einem der ohnehin ärmsten Ländern der Welt.

Gleichzeitig wird der Druck auf die Nachbarländer immer größer. Nach Angaben der Hilfsorganisation Oxfam haben mehr als 100 000 Ivorer die Grenze allein nach Liberia überschritten. Den Angaben zufolge leben sie unter schwierigen Bedingungen in Dschungeldörfern, darunter viele Kinder, die ihre Eltern verloren haben. Viele Flüchtlinge hätten die tagelange Flucht nicht überlebt. Plantagenarbeiter aus dem Nachbarland Burkina Faso sind zu Tausenden geflüchtet.

Die Zeit drängt, denn die regenreichsten Wochen setzen bald ein. "Dann werden wir nicht mehr in der Lage sein, diese Menschen zu erreichen, weil die gesamte Gegend nicht zugänglich sein wird", erklärte Oxfam-Sprecherin Caroline Gluck. "Die Uhr tickt, um diese Menschen in sichere Gegenden zu bringen." Die Bevölkerungszahl einiger Dörfer habe sich seit Beginn der Krise verdoppelt. Doch umgekehrt hat sich die Situation auch für Immigranten in Abidjan dramatisch verschlechtert: Eine Gruppe von 300 Einwanderern aus Mali berichtete, sie sei von Gbagbos Jugendmilizen mit Macheten und Maschinenpistolen attackiert worden.