Lage in Fukushima 1 bleibt aber weiter kritisch. Minister beschert Regierung PR-Panne

Tokio/Hamburg. Von der Entwarnung ist Japan noch weit entfernt. Noch immer stieg gestern weißer Rauch aus den Reaktoren des Atomkraftwerks Fukushima 1 auf. Sogar südlich von Tokio wurden erhöhte Werte von Radioaktivität gemessen. Auch die Lage in den Reaktoren bleibt kritisch. In zwei Blöcken seien die Brennstäbe weniger mit Wasser bedeckt als in den vergangenen Tagen, sagte ein Sprecher der japanischen Atomaufsichtsbehörde Nisa.

Doch laut Betreiber gelang es gestern, alle sechs Reaktoren wieder mit dem Stromnetz zu verbinden - ein wichtiger Schritt, um die Kontrolle über die Anlage wiederzuerlangen.

Die japanische Regierung hat zusätzlich zur Atom-Krise einen PR-GAU zu verkraften: Nachdem Regierungschef Naoto Kan als Krisenmanager bislang keine gute Figur abgegeben hatte, verspielte sein Industrieminister Banri Kaieda nun offenbar zusätzlichen Kredit: Kaieda, der zweite Mann im Krisenstab, soll Feuerwehrleuten Strafen angedroht haben, wenn sie nicht in den lebensgefährlichen Einsatz zur Kühlung der havarierten Reaktoren zögen. Bisher hieß es immer, der Einsatz sei freiwillig. Die Kämpfer gegen die Kernschmelze wurden als Helden gefeiert.

In den von Erdbeben und Tsunami verwüsteten Gebieten sind laut Polizei bis gestern mehr als 9000 Leichen geborgen und identifiziert worden. Es wird befürchtet, dass sich diese Zahl bis zum Abschluss der Bergungsarbeiten verdoppeln wird. 12 645 Menschen werden vermisst. Ihre Leichen wurden vermutlich ins Meer gespült.

Ralf Südhoff, Deutschland-Chef des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen (WFP), sagte dem Hamburger Abendblatt: "Es wird Monate dauern, bis die Schäden der Katastrophe überhaupt erfasst sind. Mindestens so lange werden die meisten Opfer noch auf Notunterkünfte angewiesen sein." Das WFP ist im Nordosten Japans im Einsatz und kümmert sich um Katastrophenopfer. Für diese gebe es nach Angaben der japanischen Regierung zwar ausreichend Nahrungsmittel und Trinkwasser, sagte Südhoff. "Ein Problem aber stellt die Logistik dar. Viele Straßen, Häfen, Flughäfen und Bahnverbindungen sind durch Erdbeben und Tsunami zerstört, sodass wir die Hilfsgüter nur sehr mühsam überhaupt in die Krisenregionen transportieren können."