Sanaa. Nach dem jüngsten Massaker an Dutzenden Demonstranten verliert der jemenitische Präsident Ali Abdullah Saleh weiter an Rückhalt. Die Proteste gegen seine Herrschaft nehmen noch zu. Sein eigener Stamm forderte ihn zum Rücktritt auf. Im ganzen Land kam es zu Großdemonstrationen, auf denen sich die Teilnehmer mit den Opfern des Massakers vom Freitag solidarisierten. Die Ministerin für Menschenrechte und auch der Uno-Botschafter des Landes traten zurück. Auch drei Kommandeure des Heeres sind am Montag im Jemen zur Opposition übergelaufen. Ein enger Berater von Präsident Ali Abdullah Saleh und der Befehlshaber der Ersten Panzerdivision des Heeres, Generalmajor Ali Mohsen al Ahmar, gehört zu den Überläufern. Unterdessen diskutierte Saleh nach Angaben eines ranghohen Oppositionsführers über einen möglichen Rücktritt. In der Hauptstadt Sanaa fuhren derweil Panzer ein.

In einer Erklärung riefen Scheich Sadik al-Ahmar, der Führer des mächtigen Haschid-Stammes, dem auch Saleh angehört, und mehrere religiöse Führer den Präsidenten auf, den Forderungen des Volkes nachzukommen und sein Amt friedlich zu räumen.

Zehntausende kamen gestern in der Hauptstadt Sanaa zu einem Trauerzug für einige der Opfer vom Freitag, als Scharfschützen das Feuer auf friedliche Demonstranten eröffnet hatten. Gesundheitsminister Abdul Karim Rafi sagte, dabei seien 44 Menschen getötet und 192 verwundet worden.

Vertreter von Oppositionsparteien, die an den Kundgebungen teilnahmen, erklärten, die Forderungen hätten sich geändert. Statt Reformen werde nun Salehs Rücktritt gefordert. Auch international wurde die Gewalt im Jemen verurteilt.

Um einen friedlichen Ausweg aus der andauernden Krise im Land zu finden, sei bereits Kontakt zu Saleh aufgenommen worden, wie der Oppositionsführer, der seinen Namen nicht nennen wollte, verriet. Der Oppositionelle sagte, dass über die Option diskutiert werde, dass Saleh zurücktrete und die Macht an einen Militärrat abgebe, der dann das Land bis zu den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen führen könnte.

Er sagte allerdings nicht, wie weit die Verhandlungen bereits fortgeschritten seien. Doch ein Durchbruch sei in dem Zeitrahmen von 48 Stunden wahrscheinlich, so der Oppositionsführer.

Wie viel Fortschritt bei den Verhandlungen bislang erzielt wurde, sagte er nicht. Allerdings nannte er einen Zeitrahmen von 48 Stunden für einen wahrscheinlichen Durchbruch.

Wie weiter bekannt wurde, entsandte Saleh am Montag seinen Außenminister nach Saudi-Arabien, um König Abdullah eine Botschaft zu überbringen. Deren Inhalt war unbekannt. Abdullah hatte Saleh in der Vergangenheit immer mal wieder den Rücken gestärkt.

Mehrere Panzer wurden unterdessen auf den Straßen von Sanaa stationiert. Einige der Panzer sollen auf dem zentralen Platz stationiert worden sein, auf dem Demonstranten ausharren, die den Rücktritt Salehs fordern. Mindestens ein Dutzend Panzer und Panzerfahrzeuge der Republikanischen Garde – einer von Salehs Sohn angeführten Eliteeinheit – fuhren vor dem Präsidentenpalast am Südrand der Hauptstadt auf, wie Augenzeugen berichteten. Offenbar sollte die Stationierung der Panzer der Anwesenheit von Elementen der Ersten Panzerdivision des Heers an anderen Orten in der Stadt entgegen gewirkt werden.

Saleh hatte inmitten der immer lautender werdenden Rücktrittsforderungen gegen ihn am Sonntag sein gesamtes Kabinett entlassen. Offenbar wollte der langjährige Präsident damit einem geplanten Massenrücktritt von Kabinettsmitgliedern zuvorkommen, die gegen sein blutiges Vorgehen gegen regierungskritische Demonstranten protestieren wollten. Scharfschützen hatten am Freitag das Feuer auf Tausende Demonstranten eröffnet und mehr als 40 von ihnen getötet.

Vor der Bekanntgabe der Kabinettsentlassung am Sonntag hatten die Ministerin für Menschenrechte und auch der UN-Botschafter des Jemens ihren Rücktritt erklärt. Außerdem schlossen sich Mitglieder von Salehs eigenem Stamm und mehrere religiöse Führer den Forderungen nach seinem Rücktritt an, wodurch der Präsident entscheidend an Rückhalt verlor. Auch die drei übergelaufenen Kommandeure gehören Salehs Haschid-Stamm an.

Der übergelaufene Generalmajor al Ahmar sagte dem arabischen Fernsehsender Al Dschasira, der Tod von Dutzenden Demonstranten durch Sicherheitskräfte nach wochenlangen Vermittlungsversuchen zwischen Saleh und den Demonstranten habe ihn dazu gebracht, die Opposition zu unterstützen. „Die Forderungen der Demonstranten sind die Forderungen des jemenitischen Volks“, sagte er. „Ich kann mir nicht mehr länger etwas vormachen, es ist für Männer oder Stämme nicht üblich, das zu tun.“ Ein ranghoher Führer des Haschid-Stamms sagte, der Stamm werde sich hinter al Ahmar als möglicher Ersatz für Präsident Saleh stellen. Der Chef des Haschid-Stamms, Sadek al Ahmar, kündigte an, sich selbst der Opposition anzuschließen.

Auch die jemenitischen Botschafter für Jordanien, Syrien und der stellvertretende Parlamentspräsident kündigten am Montag an, die Opposition zu unterstützen.

Bei den seit einem Monat herrschenden Unruhen im Jemen sind bislang rund 100 Menschen ums Leben gekommen. Die jemenitische Protestbewegung fordert ein Ende der Herrschaft Salehs, der das Land seit mehr als 30 Jahren regiert.