Machthaber mobilisieren Sicherheitskräfte. Tagung des Volkskongresses in Peking

Peking. Chinas Polizei hat gestern wieder mehr als ein Dutzend ausländische Journalisten vorübergehend festgesetzt. Unter ihnen war der China-Korrespondent des Magazins "Stern", Janis Vougioukas. Die Reporter wurden aufgegriffen, als sie in Shanghai über einen Straßenprotest berichten wollten. Rund 100 Menschen waren in der ostchinesischen Hafenstadt den Internetaufrufen zu "Jasmin-Protesten" nach arabischem Vorbild gefolgt. Ein massives Aufgebot von Sicherheitskräften in Shanghai, Peking und anderen Städten erstickte jeden Protestversuch aber im Keim.

Zum zweiten Mal in einer Woche kritisierte Außenminister Guido Westerwelle (FDP) die Festsetzung von ausländischen Journalisten als "sehr beunruhigend". Chinas Regierung sei mehrfach aufgefordert worden, die freie Berichterstattung für deutsche und ausländische Medienvertreter zu gewährleisten. "Die fortgesetzte Behinderung der Arbeit von Journalisten ist nicht akzeptabel und beeinträchtigt das Ansehen der Volksrepublik China in der weltweiten Öffentlichkeit." Der "Stern"-Reporter kam nach drei Stunden wieder frei.

In der Hauptstadt Peking sicherte ein massives Aufgebot von Sicherheitskräften die beiden großen Einkaufsstraßen Wangfujing und Xidan, wo auch zu "Spaziergängen" aufgerufen worden war. Beide Einkaufsmeilen liegen nicht weit von der Großen Halle des Volkes, wo derzeit der Volkskongress tagt. Starke Polizeikräfte waren auch im Universitätsviertel Zhongguancun im Westen zu sehen. Die örtliche U-Bahn-Station wurde vorübergehend geschlossen.

Anwohner beklagten, dass ihre Mobiltelefone den Nachmittag über meist kein Signal hätten empfangen können. Die Pekinger Stadtregierung bestätigte, dass Journalisten nicht näher bestimmte, "viel besuchte" Viertel in der Innenstadt nicht zur Berichterstattung aufsuchen dürften, ohne vorher eine Genehmigung einzuholen. Die Polizei hatte vergangene Woche Dutzende Journalisten angewiesen, grundsätzlich für ihre Berichterstattung in China jeweils vorher eine Erlaubnis einholen zu müssen.

Chinesische Zeitungen forderten die Bevölkerung auf, den Aufrufen zu "Jasmin-Protesten" nicht zu folgen. Politiker hoben hervor, dass sie Unruhen wie in der arabischen Welt für "unrealistisch" hielten. Der Sprecher der Politischen Konsultativkonferenz (CPPCC) Zhao Qizheng wies Vermutungen, dass der Funke nach China überspringen könnte, als "absurd" zurück. "Das wird hier nicht passieren."

Mit einer Warnung vor sozialen Unruhen hat Chinas Regierungschef Wen Jiabao unterdessen zum verstärkten Kampf gegen Inflation aufgerufen. "Das Problem berührt das Wohlergehen der Menschen, betrifft die Gesamtlage und beeinträchtigt die soziale Stabilität", mahnte der Ministerpräsident in Peking vor dem Volkskongress. Die Stabilisierung der Preise müsse "höchste Priorität" haben. In seiner Rede räumte Wen Jiabao Probleme wie die wachsende Einkommensschere, Inflation, "exorbitante Wohnungspreise", "illegale Landenteignungen" und "weitverbreitete Korruption in einigen Gebieten" ein. "Wir sind uns genau bewusst, dass wir weiter ernste Probleme haben", sagte er.