Streit um Blasphemiegesetze spaltet die Atommacht

Singapur. "Shahbaz Bhatti muss sterben!", hetzten Pakistans islamistische Fanatiker seit Monaten. "Tötet Shahbaz Bhatti!" Nun ist der mutige Minister für religiöse Minderheiten tot. Niedergeschossen auf offener Straße in Islamabad. Er, ein Katholik und der einzige Christ in Pakistans Kabinett, hatte sich immer wieder entschlossen gegen das harsche Blasphemiegesetz des Landes ausgesprochen. Auch dann noch, als die Taliban und extremistische Kleriker eine Fatwa, ein islamisches Todesurteil, gegen ihn ausgerufen hatten. "Ich bin der nächste auf ihrer Todesliste", hatte der 42-Jährige erklärt. Er hat recht behalten.

Shahbaz Bhatti war auf dem Weg zur Arbeit in Pakistans Hauptstadt. Er hatte gerade das Haus seiner Mutter verlassen, als drei Männer das Feuer auf sein Auto eröffneten. Zwei der Männer, so ein Augenzeuge, öffneten die Fahrzeugtür und versuchten Bhatti aus dem Auto zu zerren. Gleichzeitig schoss der Dritte mit seiner Kalaschnikow in das Wageninnere. Der Angriff dauerte nur etwa 30 Sekunden, dann flohen die Täter in einem weißen Suzuki. Mindestens acht Kugeln, so die Polizei, hatten Minister Bhatti getroffen.

Warum er keine Leibwächter bei sich hatte, war zunächst nicht bekannt. Doch hatte Bhatti schon vor einer Weile erklärt, dass er den Bodyguards nicht traue: "Ich glaube, dass Schutz nur vom Himmel kommen kann." Trotz der wilden Drohungen der Mullahs, ihn zu enthaupten, hatte er darauf bestanden, weiterzuarbeiten, als gebe es keine Gefahr. "Wir müssen uns diesen terroristischen Kräften widersetzen", hatte er noch im Januar erklärt.

Am Tatort fand man Pamphlete der pakistanischen Taliban: hasserfüllte Warnungen an alle, die sich dem Blasphemiegesetz widersetzen. Später bekannte sich die Tehrik-i-Taliban zu der Tat: "Dieser Mann war ein bekannter Gotteslästerer", so ein Sprecher, "wir werden weiter gegen alle Gegner des Gesetzes vorgehen, das die, die den Propheten beleidigen, bestraft. Ihr Schicksal wird dasselbe sein."

Bhatti ist der zweite prominente Politiker, dem die Forderung nach einer Gesetzesreform zum Verhängnis wurde. Anfang Januar starb Gouverneur Salman Taseer durch Schüsse, die sein Leibwächter auf ihn abgab. Der Mörder wurde von Radikalen überall in Pakistan wie ein Held gefeiert.

Pakistans Blasphemiegesetz verbietet zwar die Beleidigung jeder Religion, wird aber in der Praxis bei angeblicher Herabsetzung des Islam angewandt. Die schwersten Strafen können bei der Schändung des Korans und des Namens des Propheten Mohammed verhängt werden. Der Streit um dieses Gesetz spaltet seit November 2010 die Atommacht Pakistan. Damals war eine Christin zum Tode durch den Strang verurteilt worden. Sie hatte angeblich den Propheten Mohammed beleidigt. Bisher ist zwar noch niemand nach dem Gesetz verurteilt und hingerichtet worden. Doch wurden bereits mehr als 30 Angeklagte in Lynchjustiz von tobenden Fanatikern ermordet.