Sorge um den sicheren Verbleib von fast zehn Tonnen Giftgas. Spekulationen um geplante Flucht von Diktator Gaddafi nach Weißrussland

Hamburg. Angesichts des bürgerkriegsähnlichen Chaos in Libyen mit möglicherweise bereits Tausenden Toten treiben die USA und Großbritannien Pläne für eine militärische Intervention voran. Washington befahl die Verlegung von Kampfschiffen und Flugzeugen näher an Libyen heran, um "Flexibilität" herzustellen. Die 6. US-Flotte ist mit 40 Schiffen und 175 Flugzeugen im Mittelmeer ständig stationiert. Bei Bedarf kommen weitere Flugzeugträger und Kampfschiffe hinzu.

US-Regierungssprecher Jay Cagney erklärte nach einem Treffen von US-Präsident Barack Obama mit Uno-Generalsekretär Ban Ki-moon, die USA hielten sich "alle Optionen offen".

Der britische Premierminister David Cameron sagte gegenüber Abgeordneten des Londoner Unterhauses, Großbritannien und seine Verbündeten erwögen die Einrichtung einer Flugverbotszone über Libyen. Sie soll die Luftwaffe von Diktator Muammar al-Gaddafi daran hindern, die eigene Bevölkerung zu bombardieren. Flugzeuge und Hubschrauber, die das Feuer eröffneten, würden dann abgeschossen. "Wir schließen den Einsatz militärischer Mittel überhaupt nicht aus", sagte Cameron. Flugverbotszonen hatten sich zuvor bereits im Irak und in Bosnien bewährt. Der britische Generalstabschef Sir David Richards erhielt nach Informationen des "Daily Telegraph" den Auftrag, Einsatzpläne für Militäroperationen in Libyen zu erstellen.

"Die Flugverbotszone ist eine Option, die wir aktiv in Erwägung ziehen", sagte auch US-Außenministerin Hillary Clinton nach Gesprächen mit europäischen Partnern in Genf. "Wie wir schon betont haben, ist keine Option vom Tisch, solange die libysche Regierung weiter Libyer bedroht und tötet."

Der Westen ist zudem besorgt über rund 9,5 Tonnen Giftgas - Reste eines Programms für chemische Waffen, das Gaddafi 2003 vertraglich beendete. Diese letzten Vorräte an Senfgas sollen sich unter Kontrolle des libyschen Militärs weitab der Hauptstadt Tripolis befinden. Doch niemand vermag derzeit zu sagen, welchen Kräften diese Massenvernichtungswaffen in die Hände fallen könnten - oder ob Gaddafi sie sogar als letzte Waffen einsetzen würde.

Die amerikanische Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Susan Rice, sagte, dass Gaddafi in einem Interview erklärt habe, sein Volk liebe ihn weiterhin, klinge "ehrlich gesagt, größenwahnsinnig". Sein Verhalten sei wahnhaft. "Wenn er lachen kann in dem Interview, während er sein eigenes Volk abschlachtet, dann unterstreicht das nur, dass er unfähig ist zu führen und dass er den Kontakt mit der Realität verloren hat."

Vor den anhaltenden Kämpfen zwischen Söldnern und loyalen Einheiten des Gaddafi-Regimes auf der einen und bewaffneten Rebellen und abtrünnigen Einheiten auf der anderen Seite sind bislang nach Uno-Angaben mehr als 140 000 Menschen aus Libyen geflohen. Die Vereinten Nationen riefen die Nachbarstaaten Libyens dazu auf, ihre Grenzen für Flüchtlinge offen zu halten. Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union wollen am 11. März in Brüssel zu einem Libyen-Sondergipfel zusammenkommen. Die USA haben im Zuge ihrer Sanktionen gegen das Gaddafi-Regime bislang 30 Milliarden Dollar an libyschem Regierungsvermögen eingefroren - die höchste Summe, die je in den USA blockiert wurde.

Indessen wurden Spekulationen laut, Gaddafi könnte sich mit seiner Familie nach Weißrussland absetzen. Das Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri erklärte, darauf deuteten mindestens zwei Flüge von Gaddafis Privatjet von Tripolis zu einem Flugplatz in Weißrussland hin. Das Regime des weißrussischen Despoten Alexander Lukaschenko habe in den vergangenen Wochen rund 40 Tonnen Waffen an Libyen geliefert. Vermutlich habe Gaddafi nun Diamanten als Zahlungsmittel nach Weißrussland schaffen lassen, sagte Sipri-Experte Hugh Griffiths.

Die Uno-Vollversammlung in New York hat Libyen gestern wegen seiner Gewalt gegen Demonstranten aus dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen ausgeschlossen. Uno-Generalsekretär Ban Ki-moon sagte zufrieden: Die Entscheidung fiel einstimmig aus!