EU-Kommissar pocht auf einheitliche Förderung erneuerbarer Energien. Grüne und Verbände warnen vor Schnellschuss

Berlin. Für den EU-Energiekommissar ist die Sachlage klar: "Wir sollten Windanlagen dort bauen, wo der Wind bläst, und Solarstrom erzeugen, wo die Sonne scheint", sagte Günther Oettinger gestern bei der Vorstellung des EU-Energieberichts. Würden die Mitgliedstaaten nach diesem Prinzip zusammenarbeiten, ließen sich rund zehn Milliarden Euro im Jahr einsparen. "Die rein nationale Förderung ist ungenügend", lautete die Bilanz des CDU-Politikers. Auch wenn dies nicht ab sofort gilt: Mittelfristig strebt die EU eine europäische Koordination zum Ausbau des grünen Stroms an.

Doch genau dagegen läuft der betroffene Sektor Sturm. So befürchtet der Bundesverband für Erneuerbare Energien (BEE) vor allem eines: Die Verlagerung der Stromproduktion ins Ausland. "Wir lehnen eine einheitliche Förderung von Erneuerbaren Energien auf EU-Ebene derzeit strikt ab", sagte BEE-Geschäftsführer Björn Klusmann dem Hamburger Abendblatt. Oettingers Pläne würden die Bundesrepublik noch abhängiger von Energieimporten machen. "Natürlich klingt es erst einmal gut, Windanlagen dort zu fördern, wo auch der Wind bläst. Doch gibt es bislang weder einen EU-Energiebinnenmarkt noch eine ausreichende Netzinfrastruktur, um große Strommengen quer durch Europa transportieren zu können", erklärte Klusmann.

Bislang hat die EU nur das Ziel der Förderung ausgegeben: Für den Klimaschutz soll der Anteil erneuerbarer Energien am gesamten Energieverbrauch der Gemeinschaft bis 2020 auf ein Fünftel steigen. Daraus ergeben sich individuelle Vorgaben für jedes Mitgliedsland. Deutschland muss einen Anteil von 18 Prozent erreichen. Wie das geschieht, bleibt nach der EU-Energierichtlinie von 2009 den einzelnen Staaten überlassen. Geht es nach dem BEE, soll es dabei auch bleiben. Die derzeit dezentrale Struktur trage maßgeblich zur Versorgungssicherheit durch Öko-Energien bei, sagte Klusmann.

Die deutsche Bundesregierung setzt auf das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG), das mit einer Förderung über feste Abnahmepreise für Strom aus Sonne, Wind, Erdwärme oder Biomasse seit dem Jahr 2000 einen regelrechten Boom ausgelöst hat. So stieg der Anteil von Ökostrom im deutschen Strommarkt innerhalb weniger Jahre sprunghaft an. Im Gesamtenergieverbrauch, also bei Kraftstoffen, Wärme und Strom, kletterte der Anteil erneuerbarer Energien insgesamt auf rund zehn Prozent. Damit ist also bereits die Hälfte der EU-Vorgaben geschafft.

Allerdings: Die Förderung kostet Geld. Erst zu Jahresbeginn wurde die sogenannte EEG-Umlage, mit der die Kosten auf die Stromverbraucher abgewälzt werden, um etwa 70 Prozent auf 3,5 Cent je Kilowattstunde erhöht. Ein Durchschnittshaushalt zahlt rund 140 Euro im Jahr für die Ökostrom-Förderung. Auch deshalb hat Oettinger ein Interesse an einer Kostensenkung. Doch der BEE ist sicher: Eine Harmonisierung bringt da nicht viel. "Anders als Oettinger prognostiziert, ist ein harmonisiertes Fördersystem nicht kostengünstiger", stellt Klusmann klar. "Im Gegenteil: Es würde zusätzliche Kosten in Höhe von 50 bis 90 Milliarden Euro verursachen und erneut nur die Marktmacht der großen Energiekonzerne stärken - auf Kosten von kleinen und mittleren Unternehmen."

Um die Ausbauziele bis 2020 zu erreichen, sei eine europäische Koordinierung jedoch notwendig, sagte Oettinger. Zudem müssten die EU-Staaten mehr Geld in den Ausbau der Öko-Energien stecken. Derzeit investieren sie jährlich 35 Milliarden Euro - dieser Anteil müsse auf 70 Milliarden Euro verdoppelt werden. "Wir sind auf dem richtigen Weg, aber wir müssen das Tempo steigern", sagte Oettinger. So haben Deutschland, Dänemark und Irland ihre Etappenziele schon weit übertroffen. Der Ökostrom-Anteil Deutschlands lag im vergangenen Jahr mit 17,4 Prozent deutlich über der Zielmarke von 12,5 Prozent. Frankreich hinkt der eigenen Vorgabe dagegen noch um rund fünf Prozentpunkte hinterher.

Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin sprach sich für eine Stärkung der jeweiligen nationalen Programme der Länder aus, bevor es zu einer Zusammenarbeit auf europäischer Ebene kommt. "Für die Ziele der EU, den Primärenergiebedarf bis 2020 mit 20 Prozent erneuerbarer Energien zu decken, sind die nationalen Programme der Länder das effizienteste Mittel. Sie sorgen bei geringen Kosten für schnelles Wachstum", sagte er dem Abendblatt. Bevor man über eine Harmonisierung spreche, müssten die EU-Länder ihre Ziele beim Ausbau der erneuerbaren Energien bis 2020 erreichen. Dafür seien mehr Investitionen nötig, betonte Trittin. "Und es muss Druck auf viele Mitgliedstaaten und auch auf einige deutsche Bundesländer ausgeübt werden", forderte er. Etwa in Bayern, Baden-Württemberg oder Hessen gebe es immer noch eine Blockadehaltung der Landesregierungen gegen einen Ausbau der Windenergie.

"Derzeit haben wir kein europaweites Netz, was für eine Harmonisierung die Grundvoraussetzung ist", gab Trittin zu bedenken. Zwar habe die EU-Kommission bereits auf die Notwendigkeit zum Ausbau der Stromleitungen hingewiesen, bleibe aber "seltsam vage", wenn es um deren Finanzierung gehe, kritisierte der Fraktionschef.