Tausende Demonstranten rufen zum Aufstand gegen Anhänger Ben Alis in der Regierung auf

Tunis/Brüssel. In Tunesien ist ein Ermittlungsverfahren gegen den nach Saudi-Arabien geflohenen Ex-Machthaber Zine el Abidine Ben Ali eröffnet worden. Es soll klären, ob der 74-Jährige und seine Familie sich illegal Vermögen angeeignet und dieses ins Ausland geschafft haben, berichtete die amtliche Nachrichtenagentur TAP. Kurz zuvor hatte die Schweiz erklärt, Konten Ben Alis zu sperren.

Die erste Kabinettssitzung der neuen tunesischen Übergangsregierung wurde gestern kurzfristig wieder vertagt. Sie werde nun erst heute abgehalten, hieß es aus Regierungskreisen. Zuvor hatten in einigen Städten des Landes neue Proteste gegen die Beteiligung von ehemaligen Getreuen Ben Alis an der Übergangsregierung begonnen. In der Hauptstadt Tunis gingen erneut etwa 1000 Gegner des alten Regimes auf die Straße.

Die von Sicherheitskräften eingekreisten Demonstranten forderten in Sprechchören "ein neues Parlament, eine neue Verfassung und eine neue Republik". Sie riefen zum "Aufstand" gegen Vertraute Ben Alis in der neuen Regierungsmannschaft auf. Die Polizei setzte Tränengas ein. Trotz der Proteste verkürzte die Regierung die nächtliche Ausgangssperre um zwei Stunden. Die Entscheidung sei "unter Berücksichtigung der verbesserten Sicherheitslage" getroffen worden, hieß es.

Ben Ali war am Freitag nach 23 Jahren an der Macht gestürzt worden und nach Saudi-Arabien geflohen. Auslöser seines Rückzugs waren Massenproteste gegen Korruption und hohe Arbeitslosigkeit. Sie hatten sich in der vergangenen Woche zu einem Volksaufstand ausgeweitet. Bei Ausschreitungen gab es in den vergangenen Wochen mindestens 80 Tote. Bei der EU laufen Beratungen über ein umfassendes Maßnahmenpaket, um den demokratischen Wandel in Tunesien zu unterstützen. Auch die Möglichkeit, Vermögen zu sperren, sei eine der Option, sagte die Sprecherin der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton.