Attentäter Loughner war in High School auffällig und wurde suspendiert. Amerika diskutiert über die Ursachen des Verbrechens

Washington. Der kahl geschorene, wie "Batmans" Comicfeind Joker grinsende Mann auf dem Foto könnte der Klassenclown in einem College-Seminar sein. Jared Lee Loughner, 22, erschien in Hand- und Fußfesseln, an der rechten Schläfe verletzt, vor einem Bundesgericht in Phoenix (Arizona), weil er Amerikas jüngster Attentäter und Massenmörder ist. Die Anklage wirft ihm zwei Morde und drei Mordversuche vor; sechs Menschen starben, vierzehn wurden schwer verletzt, darunter die demokratische Kongressabgeordnete Gabrielle Giffords, 40. Ihr Zustand ist unverändert kritisch.

Loughners Strafverteidigerin Judy Clarke machte vor Gericht ihre "große Sorge" geltend, dass der Prozess in Arizona stattfinden könnte. Da eines der Mordopfer der Bundesrichter John Roll vom Distrikt-Gericht in Tucson gewesen sei, seien Staatsanwälte und Richter, die Rolls Freunde und Kollegen waren, ungeeignet, ein faires Verfahren zu garantieren. Dem Täter, der "als Gefahr für die Gemeinschaft" eingeschätzt wird, droht die Todesstrafe. Jared Loughner bestätigte vor Gericht nur seine Identität. Der Untersuchungsrichter Lawrence Anderson verabschiedete ihn mit "Viel Glück für Sie".

Während in den Vereinigten Staaten die Flaggen auf halbmast wehen und der Kongress aus Pietät seine Arbeit vorübergehend eingestellt hat, plant Präsident Barack Obama für heute einen Besuch in Arizona. In den US-Medien und in Blogs tobt unterdessen ein hitziger Streit um die Deutungshoheit des Attentats. Linksliberale und einige prominente Demokraten wie der frühere Präsidentschaftskandidat Gary Hart machen die antistaatliche Gewaltrhetorik von republikanischen Kommentatoren und Politikern, namentlich Sarah Palin, mitverantwortlich für einen vergifteten politischen Diskurs, der gewissermaßen mit Worten töte.

Amerikas Rechte wehrt sich beleidigt gegen den Verdacht einer geistigen Mitverantwortung. Eine dritte, durch Widerstand gegen laxe Waffengesetze geeinte Gruppe versucht, wie jedes Mal nach Massenmorden, für strengere Kontrollen zu werben. Etwa polizeiliche Führungszeugnisse und einen Bann für automatische Kriegswaffen, wie er von 1999 bis 2004 bundesweit bestand. Nicht minder reflexartig sucht die Öffentlichkeit im Vorleben des Attentäters nach Motiven und Schlüsselszenen, die erklären können, warum ein Mensch zum Massenmörder wird.

Gesichert scheint inzwischen, dass Jared Loughner in seiner Highschool noch nicht verhaltensauffällig war. Mitschüler beschreiben ihn als "eher links", dem Marihuana und der Rockmusik zugetan, mit einem harmlosen Faible für Verschwörungstheorien und Weltende-Prophetie. 2006 verließ er vorzeitig die Highschool und jobbte sich durch.

Seine Kommilitonen am Pima Community College, das einen "zweiten Bildungsweg" für Schulabbrecher anbietet, bemerkten dagegen rasch, dass etwas mit Loughner nicht stimmte. Zwischen Februar und September 2010 wurde fünfmal wegen Ausfälligkeiten die Campus-Polizei verständigt. Am 29. September wurde Jared Loughner schließlich suspendiert; nur gegen Vorlage einer "Unbedenklichkeitserklärung", was seine geistige Gesundheit angehe, könne er zurückkehren.

Eine Kommilitonin, Lynda Sorensen, 52, hatte in einer E-Mail an Freunde im Sommer 2010 eine seherische Horrorvision: "Wir haben eine geistig gestörte Person in der Klasse, die mir verdammt Angst einjagt. Er ist einer dieser Typen, deren Foto du eines Tages in den Nachrichten siehst, nachdem er mit einer automatischen Waffe ins Seminar gekommen ist ... Jeder, den man dann interviewte, würde sagen: ,Klar, der war in meiner Mathe-Klasse und war wirklich schräg. Ich saß immer nahe der Tür, fluchtbereit.'"

Es scheint, dass niemand dem College mangelnde Sorgfalt im Umgang mit dem renitenten Studenten Loughner vorwirft. Im Gegenteil, die Suspendierung schützte mindestens vordergründig seine Kommilitonen und Lehrer. Und das geforderte psychiatrische Gutachten hätte seine Krankheit womöglich ans Licht bringen müssen.