Isaf-Kommandeur sieht afghanische Taliban Winterbedingungen nicht gewachsen. Bundestag entscheidet Ende Januar über Mandatsverlängerung

Berlin/Washington/Kabul. Der Kommandeur der internationalen Isaf-Truppen in Afghanistan, US-General David Petraeus, will möglichst bald eine Entscheidung im Kampf gegen die Taliban "erzwingen". Das war aus Geheimdienstkreisen in Berlin, Washington und Kabul zu erfahren. Hohe Nato-Offiziere erklärten im Brüsseler Hauptquartier, der anstehende Winter am Hindukusch "könnte unter Umständen schon für Fortschritte entscheidend werden". Die Taliban seien nach den Erfahrungen winterlichen Gefechten "nicht so recht gewachsen".

Petraeus gab bereits in der "Rheinischen Post" positive Signale für die Entwicklung in Afghanistan. In mehreren besonders wichtigen Landesteilen, zu denen Kandahar und Helmand, aber auch die Provinz Urusgan und besonders die Region Kabul gehören, sei es den Isaf-Truppen "nachweislich gelungen, die Initiative der Aufständischen nicht nur zu stoppen, sondern auch umzukehren", sagte der General. Ermutigend sei auch die Wiedereingliederung ehemaliger Taliban-Kämpfer in die afghanische Gesellschaft. Die Nato sei beim Aufbau der afghanischen Sicherheitskräfte dem Zeitplan "deutlich voraus".

In der jüngsten vertraulichen Unterrichtung der Bundeswehr über die Lage im Einsatzgebiet der deutschen Soldaten am Hindukusch wird die Bedrohung durch die Taliban in Afghanistan insgesamt aber nach wie vor als "erheblich" eingestuft. Es seien gerade von den deutschen Soldaten Operationen mit dem Ziel durchgeführt worden, die Hauptverbindungen im Einsatzraum der Bundeswehr in Nordafghanistan aufrechtzuerhalten. Es wird von den Soldaten gelobt, dass die Zahl der geschützten Fahrzeuge für sie vermehrt worden sei. Sie habe auf über 1000 zugenommen. "Das ist für uns ein erheblicher Fortschritt", erklärten Offiziere der Bundeswehr in Kabul.

Aus Kreisen von Geheimdiensten war in Kabul zu hören, dass möglicherweise im Frühjahr eine Entscheidung über die "Regierungsverhältnisse" in Kabul anstehen könnte. Präsident Hamid Karsai gebe nach wie vor "große Rätsel" auf. Es sei nicht herauszubekommen, ob und wieweit er sich bereits mit den Taliban arrangiert habe, um sich bei einem Umschwung der politischen Verhältnisse in Afghanistan an der Macht zu halten. In Washington sei er endgültig fallen gelassen worden. Es werde vermutet, dass bereits "60 bis 70 Prozent der Regierungsmannschaft Karsai mit den Taliban unter einer Decke stecken".

Nach internen "vorausgreifenden" Untersuchungen der Bundeswehr soll sich abzeichnen, dass es im Zuge der durch Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) eingeleiteten großen Umwandlung der Streitkräfte zur Freiwilligenarmee wegen der gefährlichen Einsätze in Afghanistan "erhebliche Probleme" bei der Gewinnung von Freiwilligen geben wird.

Die jungen Männer seien "wegen der Gefährlichkeit nicht bereit, zum Einsatz an den Hindukusch zu gehen", hieß es. Dazu komme noch die wirtschaftlich gute Lage in Deutschland, die "zum Schwinden der Entschlussfreudigkeit beiträgt, einen Dienst bei der Bundeswehr anzutreten", sagte einer der Offiziere, die sich schon mit den künftig zu erwartenden Bewerbungen von Freiwilligen beschäftigen.

Der Bundestag will am 21. Januar über das neue Afghanistan-Mandat beraten. Darüber abstimmen wollen die Abgeordneten am 27. oder 28. Januar. Wie gestern aus Parlamentskreisen weiter verlautete, gibt es in der Koalition noch Unstimmigkeiten über die Formulierungen für den Antrag der Bundesregierung, den Einsatz der Bundeswehr um ein weiteres Jahr zu verlängern. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) hatte erklärt, dass aus seiner Sicht das deutsche Kontingent Ende 2011 erstmals reduziert werden solle. Dagegen wollte sich Verteidigungsminister zu Guttenberg bislang nicht auf Termine festlegen. Die SPD beharrt auf einen konkreten Termin für den Beginn des Abzugs der Bundeswehr. Davon will sie ihre Zustimmung zu einer Verlängerung abhängig machen.

Die Grünen warnten vor einer Dauerpräsenz deutscher Soldaten in Afghanistan. Sie forderten die Regierung zur Offenlegung langfristiger Pläne für den Krisenstaat auf.