Erste Parteien stimmen dem Kompromissvorschlag des königlichen Schlichters zu

Brüssel. In die seit neun Monaten andauernde politische Krise in Belgien kommt Bewegung: Zwei von sieben Parteien haben bisher zustimmend auf den Kompromissvorschlag des königlichen Schlichters Johan Vande Lanotte reagiert. Die Regierungsverhandlungen in dem EU-Land dauern nun schon seit mehr als 200 Tagen an. Seit April gibt es nur noch eine kommissarisch amtierende Regierung.

Die Koalition unter Yves Leterme war am Streit zwischen französischsprachigen und flämischen Landsleuten zerbrochen. Aus den Neuwahlen im Juni ging auf flämischer Seite die NVA unter Bart De Wever als Sieger hervor, die auf lange Sicht ein unabhängiges Flandern anstrebt. Auf der anderen Seite der Sprachengrenze gewannen die Sozialisten (PS) von Elio Di Rupo, die wie die meisten Frankophonen zum Föderalstaat stehen. In den Verhandlungen ging es deshalb nicht nur um eine neue Regierung, sondern auch um eine Staatsreform.

Nach mehreren gescheiterten Verhandlungen setzte König Albert II. schließlich Vande Lanotte als Schlichter ein. Dessen nun vorgelegter Vorschlag wurde von den flämischen Grünen (Groen) begrüßt. Auf dieser Basis sei die Einigung auf eine Staatsreform innerhalb "von einigen Wochen" möglich, erklärte Groen-Chef Wouter Van Besien am Dienstagabend. Die flämischen Sozialisten (SPA) machten ebenfalls ihre Zustimmung zum Vorschlag von Vande Lanotte deutlich, der selbst der SPA angehört. Die NVA, die flämischen Christdemokraten und die drei französischsprachigen Parteien hatten sich bis gestern Abend hingegen noch nicht geäußert.

Vande Lanotte hatte seinen Vorschlag als Basis für weitere Verhandlungen charakterisiert. Nach Berichten frankophoner Medien sieht er unter anderem eine Beschneidung der Minderheitenrechte vor, die ein Teil der Frankophonen in Flandern genießt. Sie müssten großenteils auf ihre Privilegien bei Wahlen und vor Gericht verzichten, etwa darauf, in einem Prozess auf Französisch auszusagen. Im anderen Hauptstreitpunkt, den Finanzen, würden die Gliedstaaten größere Kompetenzen bekommen. Sie gewännen die Verfügungsgewalt über rund ein Viertel der Einkommenssteuer, etwa 15 Milliarden Euro. Dies käme den wirtschaftlich besser dastehenden Flamen entgegen. Im Gegenzug würden zum Beispiel Finanztransfers für das mehrheitlich frankophone Brüssel erhöht.