21 Tote nach Selbstmordanschlag in Ägypten. Papst fordert Religionsfreiheit, CDU-Vize Schavan drängt muslimische Würdenträger zur Distanzierung

Alexandria/Berlin. Neuer Anschlag auf Christen in der muslimischen Welt: Ein Selbstmordattentäter hat in der Neujahrsnacht vor einer Kirche im ägyptischen Alexandria 21 Gläubige mit in den Tod gerissen. 79 Menschen wurden verletzt. Die Tat rief weltweit Entsetzen hervor.

Papst Benedikt XVI. forderte Frieden und Religionsfreiheit. Alle Menschen sollten "den Schrei der vielen Kriegsopfer - Männer, Frauen, Kinder und Alten - anhören, die das schrecklichste Angesicht der Geschichte sind", mahnte der Papst beim Neujahrsgottesdienst im Petersdom. US-Präsident Barack Obama bezeichnete den Terroranschlag als "ungeheuerlich". Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton sagte: "Es gibt keine Rechtfertigung für dieses Attentat." Der ägyptische Präsident Husni Mubarak rief alle Ägypter, ob Christen oder Muslime, zu Geschlossenheit bei der Bekämpfung des Terrorismus auf.

Die stellvertretende CDU-Vorsitzende Annette Schavan appellierte an muslimische Autoritäten, eindeutig Stellung zu beziehen gegen jede Form von Gewalt im Namen ihrer Religion. "Sie müssen deutlich machen, dass sie Gewalt gegen andere Religionen ablehnen", sagte Schavan dem Hamburger Abendblatt.

Sie sei davon überzeugt, dass internationale Politik den Religionsdialog als Teil des Menschenrechtsdialogs verstärken werde, fügte Bildungsministerin und Theologin hinzu. "Es gibt keinen Frieden der Völker ohne den Frieden der Religionen." Die Mitglieder der Bundesregierung würden "bei jeder Gelegenheit deutlich machen, dass Religionsfreiheit nicht nur Ausdruck dieser oder jener Kultur, sondern allgemeines Menschenrecht ist".

Die Bombe entfaltete ihre verheerende Wirkung, als die Kirchgänger aus der Mitternachtsmesse in der koptischen St.-Markus-und-Petri-Kirche im Stadtteil Sidi Bischr strömten. Der Täter zündete in seinem vor der Kirche stehenden Wagen die tödliche Ladung etwa eine halbe Stunde nach Mitternacht, wie das ägyptische Innenministerium mitteilte. Die Bombe enthielt etwa hundert Kilo Sprengstoff.

Die Tragödie hätte noch schlimmer sein können, wenn die Terroristen bis zum Ende der Zeremonie gewartet hätten, berichteten Augenzeugen. Die Bombe wurde bereits gezündet, als die ersten Gläubigen die noch im Gange befindliche Messe verließen. Die britische BBC zeigte ein im Inneren der Kirche per Handy aufgenommenes Video, auf dem zu sehen ist, wie die Explosion mitten in die liturgischen Gesänge der Kirchengemeinde fuhr.

Ohne nähere Erläuterung beschuldigte die ägyptische Regierung "ausländische Elemente" als Drahtzieher. Kürzlich hatte eine Gruppe mit Verbindungen zum islamistischen Terrornetz al-Qaida im Irak den Christen im ganzen Nahen Osten mit Anschlägen gedroht. Die Organisation wirft den Kopten vor, zwei angeblich vom Christentum zum Islam konvertierte Frauen als Geiseln festzuhalten.

Etwa zehn Prozent der Ägypter sind Christen. Wegen des Baus von Kirchen, Konvertierungen und Landdisputen kommt es immer wieder zu Spannungen und gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Christen und Muslimen.

Wütende Christen bewarfen nach dem Anschlag eine Moschee in der Nähe mit Steinen. Die Polizei trieb die Menge auseinander. Die St.-Markus-und-Petri-Kirche ist eines der größten Gotteshäuser der Kopten in Alexandria. Unmittelbar benachbart ist das kirchliche St.-Markus-Spital, in dem viele der Verletzten behandelt wurden. Die Polizei ging gegen die Demonstranten mit Schlagstöcken und Tränengas vor. Dabei wurden vier Christen verletzt, berichtete die Tageszeitung "Al-Masri Al-Youm" unter Berufung auf Ärzte. Im Stadtteil Schobra demonstrierten Muslime und Christen gemeinsam gegen die terroristische Gewalt. Die Teilnehmer der Kundgebung hielten Kreuze und Koran-Ausgaben hoch.