Gegen das ungarische Mediengesetz, das die Pressefreiheit stark einschränkt, wächst in der EU der Widerstand

Brüssel/Berlin. Das Mediengesetz in Ungarn hat in Europa scharfe Proteste ausgelöst. Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning, forderte Ungarn auf, sich uneingeschränkt zur Pressefreiheit zu bekennen. "Die Europäische Union hat einen gemeinsamen Wertekern, dazu gehört die Unabhängigkeit und Vielfalt der Presse", sagte Löning der "Welt". Budapest habe diese Werte mit seinem Beitritt zur EU akzeptiert. Die Bundesregierung werde nun "sehr genau hinschauen, wie Ungarn in der Praxis mit dieser neuen Gesetzgebung umgeht", sagte Löning.

Mit dem Gesetz hat die konservative Regierung von Premier Viktor Orban die Medien unter scharfe Kontrolle gestellt. Die neue Medienbehörde NMHH, deren Vorsitzende gleich für neun Jahre eingesetzt wurde, wacht fortan sowohl über öffentlich-rechtliche als auch private TV- und Radiosender, über Zeitungen und das Internet. "Politisch unausgewogene Berichterstattung" kann fortan mit drastischen Bußgeldern bestraft werden, die leicht die Existenz vieler Verlage bedrohen können. Journalisten müssen künftig ihre Quellen offenlegen, wenn es die "nationale Sicherheit" erfordert.

Das Gesetz tritt am 1. Januar in Kraft - just am selben Tag, an dem das Land den EU-Vorsitz übernimmt. Die EU-Kommission als Hüterin der europäischen Verträge gab sich jedoch ausgesprochen zurückhaltend. "Wir prüfen, ob europäisches Recht und europäische Prinzipien betroffen sind", sagte ein Sprecher lediglich. Auch der Ständige EU-Ratspräsident nahm keine Stellung. Herman Van Rompuy war am Tag, als Orbans mit einer Zweidrittelmehrheit ausgestattete Koalition das Gesetz verabschiedete, selbst in Budapest. Er fahre "mit einem exzellenten Eindruck zurück nach Brüssel", teilte Van Rompuy mit. Die Ungarn seien "gut auf ihre Aufgabe vorbereitet".

Die sich abzeichnende Beschneidung der Pressefreiheit war seit Wochen ein Thema in Brüssel, das EU-Parlament veranstaltete sogar eine Anhörung. Die EU-Kommission verwies dabei lediglich darauf, dass gegen Ungarn und weitere elf Mitglieder ein Prüfverfahren laufe, weil sie eine Richtlinie für grenzüberschreitende audiovisuelle Medien-Dienstleistungen noch nicht umgesetzt haben.

"Es ist erstaunlich, dass Premier Orban als EU-Ratsvorsitzender die Erweiterung der Union voranbringen will, selbst aber die Kopenhagener Kriterien nicht einhält", sagte die ungarische Ex-Außenministerin und EU-Abgeordnete Kinga Göncz. Zu den Kriterien, deren Erfüllung Voraussetzung für den EU-Beitritt ist, gehört die unbedingte Freiheit der Medien. "Hoffentlich versteht die Regierung, dass sich Ungarn bei Anwendung des Gesetzes in Gesellschaft von Ländern begibt, die keine Beispiele für Demokratien sind", meint auch der Ungarn-Experte Paul Lendvai.

Die Fraktion der Liberalen im Europäischen Parlament forderte ihren Parteichef auf, Sanktionen gegen Ungarns Regierung zu verhängen. Bundesaußenminister Guido Westerwelle müsse sich dafür um eine Mehrheit im Europäischen Rat bemühen. Der EU-Vertrag von Lissabon sieht bei eklatanten Verstößen gegen die europäischen Grundwerte der Presse- und Meinungsfreiheit den Entzug von Rechten, beispielsweise von Stimmrechten, vor.

In Budapest legten zwei Radiomoderatoren nach der Verabschiedung des Gesetzes eine Schweigeminute ein, was es das letzte Mal vor mehr als 50 Jahren gab, als der sowjetische Diktator Josef Stalin starb. Die beiden Journalisten dürfen seither nicht mehr arbeiten.