Gegen WikiLeaks-Chef ermitteln USA und Schweden weiter

London. Die Verteidigung von Julian Assange feierte gestern verhalten. Der WikiLeaks-Gründer ist gegen eine Kaution von 200 000 Pfund (236 000 Euro) aus britischer Untersuchungshaft entlassen worden. Ein freier Mann ist er deswegen noch lange nicht - und das liegt nicht nur an elektronischen Fußfesseln und Ausgangssperre, die ihm das Gericht für die nächsten Wochen auferlegt hat. Selbst sein Anwalt Mark Stephens bezweifelt, dass "das Ende der Fahnenstange" erreicht ist.

Schweden fordert nach wie vor die Auslieferung des 39-jährigen Australiers, um das Verfahren wegen Sexualvergehen gegen ihn vorantreiben zu können. In den USA wurde indes deutlich, worum es eigentlich geht: Die Bundesanwälte in Washington ziehen alle rechtlichen Register, um eine Anklage wegen Verschwörung und Spionage gegen Assange zusammenzubasteln.

Assange und sein Team aus exzellenten Juristen und Prominenten wie Michael Moore und Bianca Jagger machen es ihren Gegnern wahrlich nicht einfach. Die öffentliche Meinung, bei den Sex-Vorwürfen aus Schweden handele es sich allenfalls um einen Nebenkriegsschauplatz, dürften sie bereits auf ihrer Seite haben. Filmemacher John Pilger sprach von einem "unschuldigen Mann", Anwalt Mark Stephens hatte schon am Dienstag das Wort "Schauprozess" in den Mund genommen.

Wasser auf Assanges Mühlen war gestern auch die juristische Verwirrung darüber, wer überhaupt Berufung gegen die bereits am Dienstag von einem Gericht akzeptierte Freilassung von Assange eingelegt hat. Als durchsickerte, dass das Argument der Fluchtgefahr angesichts strikter Auflagen nicht mehr zu halten sein würde, wollte es plötzlich keiner mehr gewesen sein. Die schwedische Staatsanwaltschaft behauptete, sie habe damit nichts zu tun, dies sei alleine Sache der britischen Anklagebehörde. Diese wiederum ließ wissen, sie handele lediglich im Auftrag Schwedens, wo der EU-weite Haftbefehl gegen Assange ausgestellt worden war.

Der Australier, der von Freunden und Bewunderern als "hochintelligent" beschrieben wird, hat es gewagt, die Weltmacht zu reizen. Erstmals wirklich Aufsehen hatte ein Video erregt, auf dem zu sehen und zu hören ist, wie eine US-Hubschrauberbesatzung voller Lust auf Unschuldige im Irak feuert. Es folgten Tausende Dokumente über die Kriege in Afghanistan und im Irak. Zuletzt machte WikiLeaks mit der Veröffentlichung vertraulicher Depeschen von Diplomaten Schlagzeilen, in denen viele Politiker schlecht wegkamen.

Bradley Manning, ein kleiner Gefreiter der US-Armee, hat die Daten von den Regierungscomputern heruntergeladen. Doch wie hat er es geschafft, das umfangreiche Material zu speichern und vor dem Zugriff der US-Geheimdienste zu bewahren? Die US-Ankläger hoffen, dass sie an dieser Schnittstelle eine aktive Beteiligung von Assange nachweisen können.

Chat-Protokolle und letztlich wohl Aussagen des eigentlichen Verräters selbst sollen helfen. Der sitzt nach Berichten in US-Medien in Einzelhaft, darf weder Kissen noch Decke benutzen, keinen Sport treiben und kaum die Zelle verlassen. Assange lebt über Weihnachten wohl komfortabler: Sein Freund Vaughan Smith, ehemaliger Offizier und Kriegsreporter, hat ihm Unterschlupf auf seinem Landsitz in Südostengland gewährt.