Präsident Obama rückt resigniert von Kernforderung nach einem Siedlungs-Baustopp an die Regierung Netanjahu ab

Hamburg/Washington. Die amerikanische Regierung hat in einem wesentlichen Punkt ihrer Nahost-Politik eine Kehrtwende vollzogen, deren Konsequenzen für den stagnierenden Friedensprozess noch nicht absehbar sind. US-Präsident Barack Obama ist von seiner Forderung nach einem Baustopp in den von Israel besetzten Palästinensergebieten abgerückt. Ein derartiger Baustopp hatte noch bei Obamas Amtsantritt vor zwei Jahren zu seinen Kernforderungen an Israel gehört.

Die jüdischen Siedlungen im Westjordanland und in Ostjerusalem stellen derzeit das massivste Hindernis für eine Wiederaufnahme der festgefahrenen Verhandlungen dar. Anfang September war der Versuch, die Gespräche wieder anzufahren, an diesem Punkt gescheitert. Israel hatte sich geweigert, ein zehnmonatiges Baumoratorium für das Westjordanland zu verlängern - gefordert hatten dies auch die USA und die EU. Der Sprecher des US-Außenministeriums, Philip Crowley, sagte, auf einem Baustopp zu beharren, sei "keine solide Basis" für ein Friedensabkommen. Die neue Position Washingtons sei aber kein "Strategiewechsel", sondern eher eine andere Taktik. Einige Beobachter werteten dies als Kapitulation der Regierung Obama vor der unnachgiebigen Haltung der israelischen Regierung unter Premier Benjamin Netanjahu.

Die Palästinenser erklärten, sie würden sich nun einseitig um internationale Anerkennung für einen Palästinenserstaat in den Grenzen von 1967 bemühen. Sowohl die USA als auch Israel sind vehement gegen einen solchen Schritt. Der palästinensische Unterhändler Mohammed Schtajeh hatte vor wenigen Tagen gewarnt, sollte Israel wie angekündigt 600 neue Siedlungseinheiten in Ostjerusalem bauen, dann wäre das "der letzte Nagel im Sarg des Friedenprozesses". Der palästinensische Spitzenfunktionär Jassir Abed Rabbo, Berater von Präsident Mahmud Abbas, äußerte Zweifel an der Fähigkeit der USA, den Friedensprozess noch vorantreiben zu können. "Wenn jemand nicht in der Lage ist, Israels Bautätigkeit einzuschränken, um ernsthafte Verhandlungen zu ermöglichen - wie kann er dann Israel dazu bewegen, eine faire Lösung anzunehmen?", fragte Rabbo mit Blick auf die USA.

Aus Kreisen der US-Regierung verlautete, man werde nun in getrennten Gesprächen daran arbeiten, ein israelisch-palästinensisches "Rahmenabkommen" zu erstellen.

Israels Verteidigungsminister Ehud Barak sagte in Jerusalem, die Verhandlungen seien "vollkommen blockiert". Im Übrigen seien die Amerikaner "viel zu beschäftigt mit Nordkorea und den Enthüllungen von WikiLeaks". Wie die "New York Times" schrieb, hatte Netanjahu von Washington verlangt, schriftliche Zusagen über die Lieferung von 20 supermodernen F-35-Tarnkappenjägern sowie über das Versprechen, im Uno-Sicherheitsrat gegen anti-israelische Resolutionen zu stimmen, zu geben. Allenfalls dann könne er sein Kabinett zu einem 90-tägigen Baustopp überreden. Diese schriftliche Zusage der USA erfolgte aber nicht.